Spürst du den Todeshauch: Thriller (German Edition)
war.
60
C lyde wachte früh am Mittwochmorgen auf und blinzelte in das grelle Sonnenlicht. Er fühlte sich fürchterlich, ihn fröstelte, und gleichzeitig hatte er Schweißausbrüche.
Wo bin ich? Manchmal, wenn er nicht zu viel Wein getrunken hatte, stellte er sich auch eine andere Frage: Wohin jetzt?
Mühsam rief er sich die letzten Ereignisse ins Gedächtnis. Die Unterkunft. Das Krankenhaus. Sein Foto im Fernsehen.
Was, wenn Peggy und Skippy es gesehen hatten? Peggy hatte wahrscheinlich längst einen anderen, und Skippy war in dem Glauben aufgewachsen, dass dieser andere sein Vater wäre. Und seine Orden aus Vietnam lagen wahrscheinlich in einer Schachtel auf dem Speicher. Wenn sie nicht gleich ganz weggeworfen worden waren.
Er zwang sich dazu, darüber nachzudenken, obwohl er glaubte, sein Schädel müsse platzen. Wenn das Foto mit ihm in Verbindung gebracht wurde und die Polizei herausfand, wer er war, würde trotzdem nach ihm gefahndet werden, ganz egal, ob sich Peggy und Skippy längst davongemacht hatten. Und was, wenn man dann versuchen würde, ihm die Explosion anzuhängen?
Diese Shirley Soundso. Nette Frau. Hatte ihm wirklich helfen wollen. Hat aber tatsächlich geglaubt, dass ich in dieser verdreckten Bruchbude bleibe. Clyde stützte sich auf einen Ellbogen und fing an zu lachen, was in einem polternden Hustenanfall mündete. Wo sind die Tabletten, die ich von ihr bekommen habe? Er fummelte erst mit der einen, dann mit der anderen Hand in den Taschen des Ponchos, den sie ihm im Krankenhaus gegeben hatten. Der hatte tiefe Taschen, und die waren nicht schlecht, dachte er. Darin konnte man eine Menge verstauen. Aber was er eigentlich wollte und brauchte, das war seine alte Jacke, die sie ihm nicht mehr zurückgegeben hatten.
Beim Anblick der zerschlissenen alten Jacke hatten die Touristen Mitleid mit ihm. Dann landeten mehr Dollars in seiner Mütze. Er musste den Poncho loswerden und Löcher in die neue, warme, schwere Hose schneiden. In ihr kam er sich wie ein Seehundbaby vor, wie ein gewärmtes, zufriedenes Seehundbaby. Die Leute mochten Seehundbabys, aber dann hatten sie kein Mitleid mehr mit ihm.
Ich brauch was zu trinken, dachte Clyde. Und wo bin ich eigentlich?
Er sah sich um und stieß einen überraschten Laut aus. Irgendwie hatte er es also zu den Chelsea Piers am Hudson geschafft, nicht weit vom Village entfernt. Mit seiner Erinnerung stand es etwas besser als gestern. Seine Wohltäterin Shirley, fiel ihm ein, hatte sich im Hotel von ihm verabschiedet.
Etwas länger als eine Viertelstunde hatte er gewartet.
Danach hatte die Frau in dem, was man früher vielleicht mal als Lobby bezeichnet hatte, ihn gefragt, ob er wiederkommen würde. Klar würde er zurückkommen, hatte er ihr geantwortet.
Als er sich auf der Straße die Seele aus dem Leib gehustet hatte, hatte jemand zehn Dollar in seine Mütze geworfen und ein anderer zwei Dollar, und er hatte sich zwei Flaschen Wein gekauft. Es war also eine gute Nacht gewesen. Das Problem war nur, er konnte nicht ständig so weiterhusten, nur damit die Leute Mitleid mit ihm hatten. Er musste verfroren und hungrig aussehen und nicht wie ein wohliges Seehundbaby.
Clyde ließ den Kopf auf die Zeitungen sinken. Die letzte Nacht war ganz okay verlaufen. Er war allein gewesen, keiner hatte sich neben ihn gedrängt, und im Ohr hatte er die schönen Geräusche von New York: den Verkehr auf dem West Side Highway, gelegentlich ein Flugzeug, das über ihn hinwegflog, dann die frühen Fähren auf dem Hudson. Er hatte es sich auf Zeitungen bequem gemacht und war sich in den warmen Sachen, die er eigentlich nicht wollte, wie ein Kleinkind in den Armen seiner Mutter vorgekommen. Darüber war er eingeschlafen.
Aber jetzt hatte er Angst. Das Foto. Das Mädchen. Er wusste, er hatte ihr wehgetan. Er hatte ihr einen richtig harten Schlag verpasst. Aber er wusste nicht, was nachher geschehen war.
Ich bin ihr gefolgt. Ich war wütend. Ich hatte Angst, sie würde mich verpfeifen, und ich könnte dann nicht mehr zurück in den Möbelwagen. Und dann …
Wieder ein Hustenanfall. Er richtete sich auf, sein ganzer Körper bebte unter dem Rasseln seiner Lunge. Das Atmen fiel ihm immer schwerer. Er bekam kaum noch Luft, und er konnte nicht mehr aufhören zu husten.
»Alles in Ordnung? Brauchen Sie Hilfe?«
Hau ab! , versuchte Clyde zu sagen. Lass mich in Ruhe! Er holte mit der Faust aus, traf aber niemanden. Wieder fiel er auf die Zeitungen, schnappte verzweifelt nach Luft
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