Spürst du den Todeshauch: Thriller (German Edition)
und konnte sich nicht mehr aufrichten.
Drei Minuten später hörte er noch nicht einmal mehr die Sirene des Streifenwagens auf dem West Side Drive, der von der jungen Joggerin alarmiert worden war.
Sie deutete auf die zusammengekrümmte Gestalt am Boden. »Seien Sie vorsichtig, Officer. Ich fürchte, er liegt im Sterben. Als ich gefragt habe, ob er Hilfe braucht, hat er nach mir geschlagen.«
»Schon gut, Ma’am. Treten Sie zurück. Ich rufe einen Notarzt.« Der junge Polizist trat vor Clyde. Als er sah, wie schwer der Mann am Boden nach Luft rang, dachte er, dass er von Glück reden konnte, wenn er noch so lange durchhielt, bis der Krankenwagen eintraf.
61
S al Damiano, der Vorarbeiter bei den Aufräumarbeiten, beschloss am Mittwochmorgen, erst den Schutt auf dem Gelände wegzuschaffen, bevor man sich an das Auffüllen der Grube machte.
Wieder wühlten sich die Bagger durch die Ruinen. Betonteile, die einmal Wände gewesen waren, Maschinen, mit deren Hilfe fein geschliffenes Mahagoni und Ahornholz zu Möbel verarbeitet worden waren, verbeulte Kanister, deren Öl man gebraucht hatte, um die Antiquitäten im Museum vor dem Austrocknen zu bewahren, wurden systematisch abgeräumt und in große Müllcontainer geworfen.
Als Jose Fernandez am Abend zuvor nach Hause gekommen war, hatte er seinen Computer hochgefahren und sich die Connelly-Seite im Internet angesehen. Er saß in der Küche der Vier-Zimmer-Wohnung, einer Sozialbauwohnung in der Nähe der Brooklyn Bridge, und erzählte seiner Mutter, was er gerade machte.
»Mom, schau dir mal die Bilder vom Museum an, wie es vor der Explosion ausgesehen hat. Die Möbel müssen ein Vermögen wert gewesen sein. Dieser Raum hier heißt Fontainebleau-Suite, nach dem Schloss Fontainebleau, wo Marie Antoinette vor der Französischen Revolution ein Boudoir hatte.«
Joses Mutter Carmen drehte sich vom Herd um und sah ihm über die Schulter. »Ist doch viel zu fein. Und das alles sauber halten …« Sie schüttelte den Kopf. »Wer ist Marie Anter …?«
»Antoinette. Eine französische Königin.«
»Schön für sie. Hunderttausend Dollar Schulden wegen Studiendarlehen, und jetzt räumst du Trümmer von einem Gebäude weg, in dem einmal teure Möbel herumgestanden haben.«
Jose seufzte. Er kannte den Sermon zu Genüge. Sicher wäre es vernünftiger gewesen, Wirtschaftswissenschaften zu studieren, aber irgendwie hatte er schon immer den Wunsch gehabt, alles über die Geschichte zu erfahren. Ich bin froh über das Studium, dachte er. Wenn nur das Darlehen nicht wäre. Irgendwann werde ich schon eine Stelle als Lehrer finden. Er besuchte am Wochenende das City College, um sich als Spanischlehrer zu qualifizieren. Das würde er schaffen, davon war er überzeugt, und sein Studiendarlehen – nun ja, das hatte er eben und würde es abbezahlen, so wie er auch eine Hypothek auf ein Haus oder ein Auto abbezahlen würde.
Das Problem war nur, er hatte weder Haus noch Auto.
Aus irgendeinem Grund wollte ihm am Mittwoch, als er auf dem Connelly-Gelände den Schutt wegschaufelte, die aufgebrochene Grube nicht aus dem Kopf. Früher, in der Vergangenheit, wurden neue Städte einfach auf den Ruinen der alten errichtet, wenn sie durch Krieg, Überschwemmungen oder Feuer vernichtet wurden.
In seinen ersten Studienjahren war er im Sommer immer durch Griechenland und den Nahen Osten getrampt. Mit zwölf hatte er ein Buch über Damaskus gelesen, und wie aufgeregt war er gewesen, als er tatsächlich in dieser Stadt eintraf und den ersten Satz aus diesem Buch vor sich hin geflüstert hatte: » Damas , Damaskus, älteste Stadt der Welt, Stadt auf einer Stadt …«
Im darauffolgenden Sommer war er in Athen gewesen. Trotz der umfangreichen archäologischen Grabungen, die dort immer wieder durchgeführt wurden, war man bei den Vorbereitungen zu den Olympischen Spielen bei Straßenerweiterungen auf eine weitere Siedlungsschicht aus frühen Zeiten gestoßen.
Bin ich denn ganz übergeschnappt?, dachte er, während er in seinem Abschnitt vor sich hin schuftete. Eine Grube auf einem Parkplatz in Long Island City mit Orten wie Damaskus oder Athen zu vergleichen!
Um siebzehn Uhr aber, als die müden Arbeiter allmählich zum Aufbruch bliesen, konnte er der Versuchung nicht mehr widerstehen und wollte einen eingehenderen Blick auf die Grube werfen.
Da es bereits dunkel wurde, holte er die Taschenlampe aus dem Laster und näherte sich dem hinteren Teil des Parkplatzes.
»Willst du heute zu Fuß nach
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