Spuk im Hotel
Zehenspitzen zur Tür. Sachte nahm er die Klinke in die Hand, dann riss er sie nach innen auf.
Ein Schreckensschrei antwortete. Vor ihm stand Henry, noch in der gebückten Haltung, mit der er hinter der Tür gelauscht hatte.
»Kommen Sie herein!«, befahl Justus.
Vor Verlegenheit lief Henrys ohnehin immer rotes Gesicht an wie eine Kirsche. Das war nicht weiter verwunderlich, fand Justus. Mehr erstaunte ihn, dass Amanda die Farbe gewechselt hatte. Henry machte ein paar unbeholfene Schritte ins Zimmer. In seinen Schaufelhänden drehte er eine Mütze. Zu Amanda schickte er hilfesuchende Blicke hinüber. Aber die hatte selbst Hilfe nötig.
»Na schön«, sagte sie schließlich zerknirscht. »Henry weiß ohnehin alles.« Sie schlug die Augen zu Boden. »Aber er ist der Einzige, das schwöre ich. Er hat mein Vertrauen.«
Justus sah erst zu Henry, dann zu Amanda, absichtlich so streng er überhaupt konnte. Amandas Geständnis, dass sie entgegen allen Beteuerungen Henry informiert hatte, überraschte ihn nicht besonders. Amanda hatte ja auch sonst niemanden, mit dem sie ihre Sorgen und Gedanken bereden konnte.
»Wann haben Sie ihn eingeweiht?«
»Heute Morgen.«
Justus nickte zufrieden. Das sprach dafür, dass Amanda es mit der versprochenen Geheimhaltung doch ziemlich lange ernst gemeint und durchgehalten hatte. Außerdem wurde dadurch klar, dass Henry bei seiner Unterhaltung im Garten mit Bob kein falsches Spiel getrieben hatte. Das hätte alles noch mehr kompliziert. Dieser ganze Fall war schließlich schon schwierig genug, mit all den Verdächtigen, die infrage kamen. Justus war es lieber, wenn er wenigstens Henry ausklammern konnte. Jedenfalls zu 80 Prozent.
»Ist schon in Ordnung, Henry«, winkte er ab. Aus seiner Gesäßtasche fingerte er zwei Visitenkarten der drei ??? und wollte sie gerade Amanda und Henry überreichen. Im letzten Moment fiel ihm ein, dass auch der Name Peter Shaw darauf stand. Dessen Identität zu enthüllen, dafür war es noch entschieden zu früh. Er steckte die Karten wieder zurück in seine Jeans.
»Dieser Peter Shaw«, sagte Amanda in diesem Augenblick mit drohender Stimme, als hätte sie einen Teil von Justus’ Gedanken gelesen, »kommt mir ganz komisch vor. Dem würde ich ohne weiteres zutrauen, dass er den Zeitungsmenschen das alles auf die Nase gebunden hat.«
»Vielleicht nicht nur das.« Henry hatte seine Fassung schnell wiedergewonnen, als er bemerkte, dass weder Justus noch Amanda ihm seine Lauschaktion besonders verübelten. »Womöglich hat er noch ganz andere Sachen auf dem Kerbholz.« Dann ging Henry, ohne sich noch einmal umzudrehen, mit seinem wiegenden Matrosenschritt hinaus. Nur gut, dachte Justus, dass Peter so unschuldig ist wie ein Baby. Wäre er es nicht und er fiele Henry in die Hände, würde der ihm wohl eine Tracht Prügel verabreichen. Für einen kurzen Moment ertappte sich Justus, wie er bei diesem Gedanken so etwas wie Schadenfreude empfand.
»Ich werde auf diesen Peter Shaw ein ganz besonders wachsames Auge haben«, versprach er Amanda. Im Weggehen grinste er. Ein bisschen Strafe muss sein.
Abgehängt!
Bei der zweiten Verfolgung von Mrs. Silverstone klappte alles wie am Schnürchen. Diesmal war es Peter gelungen, rechtzeitig Bob zu alarmieren, als er sie ausgehfertig die Treppe herunterkommen sah. Zur Abwechslung und aus Vorsicht nahmen sie Bobs Käfer und fuhren hinter Mrs. Silverstone her: auf derselben Strecke, auf der Peter ihr schon bis zu dem Kaufhaus in Los Angeles gefolgt war.
Jetzt standen die beiden jungen Detektive in dem Kaufhausgedränge unweit der Damentoilette, in der Mrs. Silverstone verschwunden war. »Ich hab’ ein ganz komisches Gefühl im Bauch«, brummte Bob. Er hielt sich an einem Stand mit Bettwäsche fest, um vom Kundenstrom nicht mitgerissen zu werden.
»Du auch? Ich auch«, sagte Peter. Er sah auf seine Armbanduhr. »Schon acht Minuten. Mag ja sein, dass sie Verdauungsprobleme hat. Aber so lange?«
Die Tür der Damentoilette öffnete sich, und heraus kam eine alte Frau, die ein wenig gebeugt ging und krampfhaft ihre Einkaufstasche festhielt. Hinter ihr erschien eine sportliche junge Dame in langen blauen Hosen, einer weißen Bluse und mit kurz geschnittenen blonden Haaren.
Bobs Blick fiel auf die Kordeln der großen grauen Tasche, die die junge Frau mit sich führte. Es war dieselbe violette Farbe wie bei den Kordeln an der schwarz und rot gemusterten Tasche, die Mrs. Silverstone bei sich trug. Er kniff die Augen
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