Spuk im Hotel
zusammen und starrte der jungen Frau nach. Die Art, wie sie die Schultern hochzog, kam ihm bekannt vor.
»Das ist sie!«, schrie er Peter an. Mit der einen Hand riss er an dessen Hosengürtel, mit der anderen zeigte er zur Rolltreppe, auf welche die Frau zustrebte.
»Das ist wer?«, brüllte Peter zurück und stieß Bobs Hand weg. Er war vollkommen verwirrt.
»Mrs. Silverstone!« Bob ließ den Gürtel los und packte dafür Peters Schulter. »Los, hinterher!«
»Du bist ja übergeschnappt!«, rief Peter. Aber er war so durcheinander, dass er Bob folgte, der sich hastig an den vielen Menschenleibern vorbei Richtung Rolltreppe schob. Sie erreichten die obersten Stufen, als die Frau fast schon unten ankam. Ihre blonde Pagenfrisur war gut zu erkennen.
»Tatsächlich«, murmelte Peter. »Du hast Recht. Das ist eine Verkleidungskünstlerin. Und ihre Tasche hat sie einfach umgestülpt.«
»Genau«, erwiderte Bob. »Na warte. Jetzt kriegen wir heraus, wozu das alles gut ist.«
Beinahe hätten sie sie aus den Augen verloren, denn als sie sich im Erdgeschoss dem Ausgang entgegenkämpften, war Mrs. Silverstone plötzlich wie vom Erdboden verschwunden. Die beiden Jungen prallten fast gegen eine Verkäuferin, entschuldigten sich ein paar Mal, allerdings ziemlich flüchtig, und dann standen sie im Freien. Drüben wartete der rote Chevy von Mrs. Silverstone. Von ihr war weit und breit nichts zu sehen. Bob lief ein paar Schritte vor und spähte in alle Himmelsrichtungen.
»Da hinten!« Wieder streckte er die Hand aus. Er zeigte zu einem Ausgang, der vom Parkplatz weg direkt zu einer Busstation führte. Sie liefen ihr nach und waren ihr bald so nah auf den Fersen, dass Peter meinte, sie sollten mehr zurückbleiben. »Wenn sie sich umdreht, erkennt sie uns.«
Aber Mrs. Silverstone tat nichts dergleichen. Kaum war sie an der Haltestelle angekommen, bremste auch schon ein Bus. ›Flower Street‹ stand auf dem Richtungsschild. Was sie jetzt tun mussten, hatten die beiden Detektive oft genug in Filmen gesehen. Es war nämlich ein Fehler, zusammen mit der verfolgten Person einfach einzusteigen. Ganz raffinierte Zeitgenossen, die ihre Verfolger abschütteln wollten, würden einen der Wagen besteigen und im allerletzten Moment, unmittelbar bevor sich die Türen schlossen, wieder aussteigen. Dann saßen die allzu leichtsinnigen Verfolger in der Falle und mussten gegen ihren Willen mindestens bis zur nächsten Station fahren. In einem Film hatten sie kürzlich gesehen, wie der Gangster den wutschnaubenden Fahndern noch richtig höhnisch zugewinkt hatte, ehe er auf dem gegenüberliegenden Gleis in die entgegengesetzte Richtung davonfuhr.
Entweder kannte Mrs. Silverstone solche Tricks nicht oder sie glaubte, sie nicht nötig zu haben. Jedenfalls setzte sie sich auf den nächstbesten freien Platz, holte eine Zeitung hervor und vertiefte sich in die Lektüre.
Peter und Bob beobachteten das alles aus sicherer Entfernung. Nach der dritten Haltestelle faltete Mrs. Silverstone die Zeitung zusammen und ging zur Tür. Wenig später marschierte sie wieder vor Bob und Peter her, mit diesen typischen hochgezogenen Schultern.
»Da muss man schon sehr genau hinsehen«, sagte Bob leise. »Ohne unseren geschulten Blick könnten wir das nicht erkennen.«
»Eigenlob stinkt«, antwortete Peter und knuffte den Freund in die Seite. Bald standen sie vor der Fassade des ›Queen‹, des zweitgrößten Hotels in Los Angeles. Mrs. Silverstone schritt, als wäre sie täglich hier, auf die Drehtür zu. Und als auch Bob und Peter dieses Hindernis überwunden hatten und sich in der riesigen Lobby nach ihr umsahen, da war Mrs. Silverstone endgültig nicht mehr da.
»Aber das gibt es doch nicht«, rief Peter verzweifelt und raufte die Haare. »Sie kann sich doch nicht in Luft auflösen.« Er schlug ein paar Haken um die Grüppchen, die hier beieinander standen. Aber Mrs. Silverstone, die Verkleidungskünstlerin, blieb verschwunden. Die beiden Detektive brauchten ein paar Minuten, um über den Misserfolg hinwegzukommen.
»Aber wir wissen ja jetzt, dass da etwas faul ist«, sagte Bob schließlich. »Wenn sie nichts Unrechtes vorhätte, würde Mrs. Silverstone wohl kaum einen anderen Menschen aus sich machen.«
»Sehr scharfsinnig.« Peter nickte. »Darauf bin ich auch schon gekommen.« Er war immer noch ein bisschen sauer. Wie Anfänger waren sie abgehängt worden!
»Warte hier, ich bin gleich zurück.« Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er in die nächste
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