Spuk im Hotel
auf frischer Tat zu ertappen. Oder sie machten einen anderen Fehler.
Gerade als Henry im Hotel verschwand, rollte der rote Chevy von Mrs. Silverstone durchs Tor und fuhr in die Tiefgarage. Eine halbe Minute später tauchten ihre blonden Haare an der Rampe auf. Spitzes Gebell ertönte. »Hierher!«, hörte Bob Mrs. Silverstone rufen, »hierher! Ja, wir gehen Gassi.« Sie hatte Mühe, ihre beiden Zwergpinscher an der Leine zu halten, so balgten sie sich und tollten um ihre Füße herum.
Sie war noch weit genug entfernt. Die dicke Eiche, hinter der Bob stand, bot ausreichend Deckung. Er ging rückwärts, immer so, dass die Eiche zwischen ihm und Mrs. Silverstone blieb. Das Kläffen der Hunde zeigte ihm, dass sie in seine Richtung spazierte. Bob erreichte die Reihe der Platanen. Suchend sah er sich um. Hinter dem nächsten Baum lag ein kräftiger Zweig im Gras. Das war genau das, was er brauchte. Kurz entschlossen sprang er hinüber, hob den Zweig auf und drückte sich hinter die Platane. Wenn sie mich gesehen hat, dachte er, habe ich eben Pech gehabt, aber es macht auch nichts. Wenn nicht, umso besser.
Vorsichtig spähte er an dem Baum vorbei zu Mrs. Silverstone. Sie bückte sich, um die Hunde von der Leine zu lassen. Übermütig setzten sie ihr wildes Spiel fort, balgten und überschlugen sich. Mrs. Silverstone selbst verlangsamte ihren Schritt. Sie kam immer näher. Bob glaubte zu erkennen, wie sie genießerisch in die Sonne blinzelte. Zu nah darf ich sie nicht herankommen lassen, dachte er, ich will sie ja nicht zu Tode erschrecken.
Als sie noch dreißig Schritte entfernt war, brach Bob den trockenen Zweig auf seinem Knie mit einem Ruck in der Mitte durch. Dabei fixierte er sie scharf. Beim Knacken des brechenden Holzes blieb Mrs. Silverstone wie angewurzelt stehen. Bob presste sich an die Platane. Er hatte genug gesehen. Ging sie jetzt weiter, würde er mit dem Rücken am Baumstamm den seligen Schläfer mimen, der nach anstrengender Arbeit im Park ein kleines Nickerchen machte.
»Jerry, Malta, hierher!«, hörte er Mrs. Silverstone rufen. Ein kurzes Kläffen war die Antwort. Dann waren wieder ihre Schritte zu hören. Sie entfernten sich.
»Diese Dame ist alles andere als taub«, sagte er zwei Stunden später zu Justus, als die beiden Aushilfskräfte von Amanda Black zufällig vor dem Heizungskeller zusammentrafen. Bob brachte das Gartengerät zurück, und Justus wollte endlich einmal diesen Teil des Untergeschosses sehen, den er bis dahin noch nicht so recht erforscht hatte. Bob zog den Freund in den Heizungskeller und schloss die Tür von innen. Trotzdem sprach er noch leise. »Mrs. Silverstone hört nicht schlechter als du und ich.«
»Endgültig bewiesen?«, fragte Justus.
»Endgültig«, antworte Bob nicht ohne Stolz und erzählte von seinem akustischen Experiment mit dem Zweig.
»Prima gemacht«, lobte Justus. »Und du bist sicher, dass sie dich nicht doch gesehen hat?«
»Vollkommen sicher.«
»Na schön. Dann brauchen wir ja bloß noch herauszufinden, warum diese Dame die Schwerhörige spielt.«
»Vielleicht ist es nur eine Marotte von ihr. Vielleicht hat sie keine Lust, mit Menschen zu reden. Wenn die Leute merken, dass jemand so schlecht hört, dass sie ihn anschreien müssen, um sich verständlich zu machen – dem gehen sie doch aus dem Weg. Und wenn das nicht möglich ist, verwickeln sie ihn jedenfalls nicht freiwillig in Gespräche.«
»Gut«, sagte Justus. »Könnte sein. Vielleicht kann sie mit Menschen nicht viel anfangen. Zumal mit den fremden Leuten, die sie in so einem Hotel trifft.« Er zupfte an der Oberlippe, wie gewöhnlich, wenn er grübelte. »Aber sehr wahrscheinlich ist das alles ja nicht. Wahrscheinlich steckt doch etwas ganz anderes dahinter.«
Bob vergrub seine Hände in den Taschen seiner Jeans. »Ich habe übrigens einen Auftrag.«
»Den haben wir alle.«
»Aber ich habe einen speziellen.«
»Und von wem?«
»Von Henry.«
»Ach. Und?«
»Ich soll dich beschatten.«
»Nett. Und warum?«
»Henry meint, du gehörst vielleicht zu einer Bande, die hier ihr Unwesen treibt.«
»Sonst noch was?«
»Ja. Auf Peter soll ich auch aufpassen. Henry mag Leute mit solchen Krawatten nicht. Und überhaupt.«
Justus grinste. »Das kann ich gut verstehen.« Er boxte ihn freundschaftlich in die Seite. »Also dann, lass uns ja nicht aus den Augen. Ich muss nach oben. Tisch decken fürs Essen.« In diesem Moment fiel ihm ein, dass er Bob und Peter noch von der merkwürdigen
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