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Spur der Flammen. Roman

Spur der Flammen. Roman

Titel: Spur der Flammen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Gesicht. Er rüttelte ihn an der Schulter, worauf der Mitgefangene nach vorn sank. »Hier liegt ein Toter!«, rief er aus und stürmte ans Gitter.
    »Sie verschwenden nur Ihren Atem«, meinte Jeremy. Er stand auf und streckte die Hand aus. »In ein, zwei Tagen kommen sie und schaffen ihn raus. Jeremy Lamb, zu Ihren Diensten.«
    Der Neue starrte auf die ausgestreckte Hand, als hätte er so etwas noch nie gesehen. Dann ergriff er sie, drückte sie und sagte mit fester Stimme: »Frederick Keyes.«
    »Darf ich Ihnen, der Sie wie ich ein Gentleman sind, einen Platz in meiner Ecke anbieten?«
    Mit Blick auf die Gittertür, als wartete er nur darauf, dass sie aufsprang und der Gefängniswärter verkündete, er sei frei, kauerte sich Keyes auf das Stroh. »Das ist Cummings«, sagte der Jüngere und deutete auf den am Boden angeketteten armen Tropf. »Ich bezahle ihn dafür, dass er aufpasst, wenn ich schlafe, damit mir keiner was stiehlt. Außerdem fungiert er als mein Diener. Wenn Sie es sich leisten können – und es sieht so aus, als könnten Sie’s –, schlage ich vor, Sie treffen mit einem dieser Leute hier ein ebensolches Abkommen. Sie sind billig und vertrauenswürdig.« Er deutete auf Cummings’ schwere Kette. »Und weglaufen können sie auch nicht.«
    Verblüfft nahm Keyes Jeremys Ecke in der scheußlichen Zelle in Augenschein: Auf einem hölzernen Bettgestell lag eine verdreckte Strohmatratze, ferner stand da eine Holzkiste, auf der die Toilettenartikel eines Mannes von Welt ausgebreitet waren; ein umgedrehter Eimer diente als Hocker, davor stand, auf zwei Ziegelsteinen aufgebockt, eine Platte mit Schalen und einer Tasse darauf. An der Wand waren ein Spiegel sowie Kleiderhaken angebracht.
    Durch einen Rundumblick konstatierte Keyes, was die große und dicht besetzte Zelle, ein Hort für Ratten und Ungeziefer, ansonsten aufzuweisen hatte: Die meisten Gefangenen waren am Fußboden oder an den Wänden angekettet; nur einige wenige verfügten über einen Platz für eine Matratze und eine Decke. Wer sich frei bewegen konnte, verrichtete seine Notdurft in einen Eimer neben der Tür, die anderen lagen in ihrem eigenen Kot. Keyes’ Blick streifte den toten Mann.
    »Es ist eine Erlösung für ihn«, sagte Lamb und machte sich wieder über sein Frühstück her, während sich Cummings in Vorfreude auf die zu erwartenden Reste die Lippen leckte. »Der arme Kerl sollte gehängt werden. Weil er aber keine Angehörigen oder Freunde hatte, die ihn mit Essen versorgten, ist er verhungert. Wie es heißt, hält nur ein Viertel der Gefangenen bis zum Tag ihrer Hinrichtung durch.«
    Der Neue warf ihm einen grimmigen Blick zu. »Droht Ihnen auch die Hinrichtung?«
    »Um Himmels willen, nein! Ich sitze eine Strafe von drei Monaten ab, dann zahlt mein Vater die Ablöse, und ich werde freigelassen. Den einzigen Sohn und Erben im Kerker verschmachten zu lassen, geht natürlich nicht.«
    »Weshalb sind Sie hier?«, fragte Keyes und schaute wieder zur vergitterten Tür. Jeremy fragte sich, ob er vielleicht Besuch erwartete.
    »Ich hatte verteufeltes Pech. Speiste mit dem Herzog von Beaufort in meinem Club, als ich Wind davon bekam, ich sollte wegen meiner Schulden verhaftet werden. Ein Freund lieh mir seinen Vierspänner, ich fuhr die ganze Nacht durch, gelangte morgens nach Dover, wo ich hoffte, ein Schiff aufzutreiben, um überzusetzen, weil doch, wie Sie bestimmt wissen, Schuldner nicht nach Frankreich verfolgt werden dürfen.« Er seufzte. »Um ein Haar hätte ich es geschafft.«
    »Spielschulden?«
    »Glücksspiel, Sir, ist etwas für Narren. Mein Laster hat vielmehr mit eleganter Garderobe zu tun. Ich stehe bei jedem Schneider und Herrenmodengeschäft der Bond Street in der Kreide. Mutter hat immer meine Schulden bezahlt, aber sie ist voriges Jahr gestorben, und Vater war unerbittlich.«
    »Er hat sich geweigert, Ihre Schulden zu begleichen?« Keyes konnte nicht fassen, dass ein Vater sein Kind derart widrigen Umständen aussetzte.
    »Mein Vater gehört zu denen, die Erben haben wollten, aber keine Kinder. Unseligerweise konnte er nicht das eine ohne das andere bekommen, und deshalb ertrug er meine Geschwister und mich. Wenn wir ihn als Kinder überhaupt mal zu Gesicht bekamen, dann nur, um uns zu züchtigen, wenn Mutter und die Erzieher nicht mehr mit uns fertig wurden.«
    Mehr gab er nicht preis – dass er, damit sein Vater stolz auf ihn war, sein Menschenmöglichstes versucht hatte. Er hatte die Aufmerksamkeit des

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