Spur der Flammen. Roman
Angeles, 1994 . Ein Band (xi + 301 Seiten (inklusive 43 Abbildungen, 12 Tabellen). Universitäts-Mikrofilm Nr. 7 632 839 . Betreut von Mark Davison.«
Glenn griff nach einem anderen Bändchen mit dem Titel
Ägyptische Liebesgedichte.
Es öffnete sich automatisch an einer bestimmten Stelle und er kam nicht umhin zu lesen:
Mein Boot gleitet flussaufwärts
im Takt mit den Schlägen der Ruderer.
Ich fahre nach Theben, der Stadt der Zwei Reiche.
Und werde zu Ptah, dem Gott der Wahrheit
flehen:
»Bring mir heute Nacht die Liebste.«
Die Göttin Meschkent sei meiner Liebsten Ruhekissen,
die Göttin Mayet sei ihr Blumenbett,
die Göttin Neith ihr knospender Lotus,
die Göttin Anuket ihr Blütenkelch.
Glenn blätterte zurück auf die Titelseite. »Aus der original Hieroglyphenschrift übersetzt von Dr.Candice Armstrong.« Er stellte das Buch ins Regal. Diese Frau war gescheit. Das musste man ihr lassen.
Die Wände dieses kuriosen kleinen Raumes waren über und über mit Bildern und Landkarten, Notizen, Diagrammen, Zeitungsausschnitten, Tabellen und, was wie eine Zeittafel aussah, behängt. Auf einer schwarzen Wandtafel standen in weißer Kreide hingeworfen die Sätze:
Warum wurde Tut-Ench-Amun ermordet?
KV 55 : Warum männliche Mumie im Frauensarg?
Warum verschwindet Nofretete aus der Geschichtsaufzeichnung? Oder etwa nicht??
Die Fotografien zeigten ägyptische Könige und Königinnen, die meisten Echnaton und seine Gemahlin Nofretete. Glenn vermutete hier den Nexus von Candice Armstrongs Universum, hier war die Achse, um die sich ihr gesamtes Leben drehte.
»Ist aus diesem Raum irgendetwas gestohlen worden?«
»Ich habe keine Ahnung.« Förmlich vor Wut zitternd drückte Candice einige Papiere an die Brust. »Huffy hätte getötet werden können. Meine letzte Katze wurde von Kojoten zerfetzt. Deshalb darf Huffy auch nie nach draußen!«
Wie auf ein Stichwort sprang die silberfarbene Perserkatze auf den Schreibtisch, erregt mit der Schwanzspitze zuckend. Sie war nicht an Fremde in ihrem Haus gewöhnt. Doch zu Candices Überraschung ließ sie sich von Glenn hinter den Ohren kraulen. »Sie lässt sonst niemanden an sich heran.«
»Ich mag Katzen. Ganz ehrlich. Kein Bluff. Dr.Armstrong, Sie hätten mich von dem Buchladen aus anrufen sollen.« Sie hatte ihm von den merkwürdigen Anrufen zu Hause und in dem Antiquariat berichtet. »Die Polizei hätte in Minuten da sein können und den Eindringling auf frischer Tat ertappt.« Er ließ den Rest aus: Dass sie vor ihrem Blockhaus auf die Polizei hätte warten können, dass es leichtsinnig gewesen war, alleine ins Haus zu gehen, der Einbrecher hätte immer noch anwesend sein können.
»Eine schlechte Angewohnheit, gegen die ich fast täglich ankämpfe«, räumte Candice ein und reichte ihm das Taschentuch zurück. »Meine Impulsivität. Ich handle ohne nachzudenken.« Hätte sie denn auf Dr.Faircloths unmoralisches Vorgehen anders reagieren sollen? Vielleicht hätte sie warten, nachdenken, mit ihm und anderen Grabungsteilnehmern diskutieren sollen. Und warum sich jetzt noch, zehn Jahre danach, den Kopf darüber zerbrechen?
»Ist schon gut«, sagte der Detective. Er bemerkte ihre Blässe, ihre angespannte Haltung, die Angst in ihren Augen. »Sie hatten Angst.«
»Habe ich immer noch.«
Glenns Blick wanderte noch einmal durch den kleinen Raum. Was für Motive konnten den Einbrecher bewogen haben? Wonach mochte er gesucht haben?
»Niemand könnte Interesse an dem hier haben«, meinte Candice, die offenbar seine Gedanken las. »Meine Theorie ist nicht besonders populär. Keiner würde sie stehlen wollen.«
»Ihre Theorie?«
»Dass Nofretete ein Pharao war.«
Glenn starrte sie erstaunt an.
»Die Geschichtsschreibung beweist es, aber die Ägyptologen ziehen die Königinversion vor.« Candice verschwieg den Rest: Dass sie ihre Passion, Nofretete zu ihrem rechtmäßigen Status zu verhelfen, ihrer Mutter verdankte. Sybilla Armstrong war um ihr Recht betrogen, ihrer Ideen beraubt worden, und sie hatte nie Wiedergutmachung erfahren. Candice war damals zwölf Jahre alt gewesen und konnte demzufolge nachvollziehen, was Nofretete widerfahren war.
»Wenn der Einbrecher nicht hinter Ihrer Arbeit her war, wonach dann?«
»Der Arbeit Ihres Vaters. Dem Stern von Babylon. Das ist die einzige Erklärung.«
Glenns Augenbrauen zogen sich bis zur Hutkrempe hoch. »Na schön. Schauen Sie sich in Ruhe um. Machen Sie eine Liste aller fehlenden Dinge. Ich werde
Weitere Kostenlose Bücher