Spur der Flammen. Roman
der Steintafel geklemmt hatte, vermute ich, dass er die Steintafel in der Achtzehnten Dynastie ansiedelte oder in dieser komplizierten Keilschrift einen Bezug zu Nacht zu finden glaubte. Nacht war ein Schreiber mit dem Titel Astronom des Amon am Tempel von Karnak irgendwann zwischen den Jahren 1500 – 1315 vor unserer Zeitrechnung. Seine Ehefrau Tawy war Musikantin des Amon. Darüber hinaus ist über die beiden nichts bekannt, es ist sogar ungewiss, unter welchem König sie dienten. Nachts Grab nahe dem Tal der Könige ist für seine wunderbaren Wandgemälde berühmt. Ich habe sie studiert. Obwohl der Grabinsasse ein Astronom war, kommen keine Sterne in den Bildern vor.«
Candice stand die Figur der Lady Tawy auf den Wandgemälden von Nacht vor Augen, der Sängerin des Amon, die in den Händen ein Musikinstrument hielt. Hatte der
Stern von Babylon
womöglich mit ihr und gar nicht mit ihrem Gatten zu tun? Aber was hatte ein ägyptischer Adliger aus der Achtzehnten Dynastie mit Babylon zu tun, das seine Blütezeit erst tausend Jahre später erleben sollte? »Warum eine Geheimschrift, Detective? Warum ist das hier nicht in den Zeichen der damaligen Sprache geschrieben worden?«
»Vielleicht handelte es sich um eine Art Geheimbund. Hüter verbotenen Wissens.«
Glenns Handy klingelte.
Es war Mrs.Quiroz. Ihr war wieder eingefallen, wo sie den Brief seines Vaters versteckt hatte.
Kapitel 10
J essica Randolph hatte nicht vorgehabt, Candice Armstrong mit ihrem Wagen zu verfolgen und zu jagen. Ihr waren nur die Pferde durchgegangen, als Candice auf ihre Motorhaube hämmerte und ihr befahl anzuhalten. Und nachdem sie erst einmal die Verfolgung aufgenommen hatte, fand Jessica richtig Gefallen an der Sache. Wäre sie auch bis zum Äußersten gegangen? Jessica fand die Frage reizvoll. Nun, vielleicht bot sich noch einmal eine Gelegenheit, das auszuprobieren?
Sie schlüpfte aus dem Bett und in einen seidenen Morgenrock, bewegte sich auf Zehenspitzen, um den Mann, der noch in dem zerwühlten Bett schlief, nicht aufzuwecken. Sie maß ihn mit einem verächtlichen Blick. Parlamentsmitglied, wohlhabend und einflussreich, verheiratet, vier Kinder und womöglich der schlechteste Liebhaber, den sie je in ihrem Bett gehabt hatte. Aber darum ging es gar nicht bei ihrer Affäre. Körperliche Befriedigung rangierte nicht sehr hoch auf Jessica Randolphs Prioritätenliste. Ihre Leidenschaft galt der Akquisition, und dieser Mann verfügte über gesellschaftliche Kontakte zu den Besitzern einer der eindrucksvollsten privaten Kunstsammlungen in England. Im Moment war Jessica auf der Spur einer Handschrift aus dem fünften Jahrhundert, und der Mann in ihrem Bett wusste, wo dieses Manuskript zu finden war und wie man den derzeitigen Besitzer zum Verkauf bewegen konnte.
Jessicas nackte Füße versanken in einem flauschigen, apricotfarbenen Teppich. Ihr Schlafzimmer war mehr als luxuriös, es bestand aus einer Ansammlung kostbarster Antiquitäten, teuerster Möbelstücke, feinster Stoffe und Kristalllüster. Sie hatte ihr Heim, ihr Liebesnest, persönlich ausgestattet und eingerichtet. Für Jessica gab es eine feste Regel: Sie brachte ihre Liebhaber immer hierher, sie ging nie in deren Wohnung oder traf sich mit ihnen in irgendwelchen Hotels oder Absteigen. Alles im Leben Jessicas musste in ihren eigenen Räumlichkeiten stattfinden, ob sie nun über eine Ming-Vase verhandelte oder intime Stunden mit einem Mann verbrachte. Ihr Acht-Zimmer-Apartment lag in einer der nobelsten Gegenden Londons. Und es war nicht ihr einziger Wohnsitz.
Heute Abend würde sich alles ändern. Es würde keine Liebhaber mehr geben, nur noch einen einzigen Mann. Der, auf den sie fast ihr ganzes Leben gewartet hatte.
Unter der seidenen Bettdecke ertönte ein Schnarchen. Er hatte zu viele Fragen gestellt, und Jessica war, wie immer, ausgewichen. Ihre Vergangenheit ging ihn nichts an; woher sie kam und was sie angestellt hatte, um ihre Spitzenposition in der Welt des Kunsthandels zu erreichen, war ihr heiliges Geheimnis und kein Stoff für Klatschspalten.
Wenn die Skandalblätter je dahinter kämen …
Als sie das Telefon im Boudoir klingeln hörte, schlüpfte Jessica rasch aus dem Schlafzimmer, zog die Tür hinter sich zu und griff noch vor ihrer Haushälterin nach dem Hörer. Jessica beschäftigte in all ihren Residenzen festes Personal. Es war handverlesen und wurde für seine Diskretion und Verschwiegenheit bezahlt. Es war ihre ultra-private Leitung, deren Nummer
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