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Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Titel: Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
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dem man noch unverbindlich bleiben konnte. Unverbindlich und professionell.
    Scheiß drauf. Linda wurde in aller Öffentlichkeit aufs Ohr geküsst. »An der Vertreterfront ist es ruhig. Ich glaube, ich habe Ihnen meine Karte noch gar nicht gegeben.«
    Im Swanston-Street-Kreisel sind immer viele arrogante Männer in teuren, geleasten Wagen anzutreffen. Zu jeder Tageszeit. Ich glaube, die wohnen alle in North Carlton. Einer von ihnen hupte mich an. Ich trat auf die Bremse, er wäre beinahe an die Bordsteinkante geprallt. Hübscher Moment. Unreif, ja. Es liegt eine gewisse Unreife darin, wenn man sich daran ergötzen kann, die Angst in den Augen eines Mercedesfahrers zu sehen. Aber ein Teil von uns bleibt ewig unreif. Ich weiß, wovon ich rede. Ich kenne meine Fehler.
    Keine Nachrichten im Büro, dafür etwas viel Besseres: ein Scheck von Belvedere Investments alias Cyril Wootton. Ich setzte mich an den Tisch des Schneiders. Setzte mich zurecht. Versuchte nachzudenken. Stuart Wardle war möglicherweise keine Spur, die sich weiter zu verfolgen lohnte. Selbst wenn er etwas über Klostermann Gardier wusste, und Klostermann an Gary große Summen gezahlt hatte, so stellte das keinerlei nützliche Verbindung zwischen beiden her.
    Stuart Wardle war wahrscheinlich eine Sackgasse.
    Dennoch. Diese Sauberkeit in seinem Büro. Großreinemachen.
    Würde ich schon sagen. Zwei Mal im Monat war absolut ungewöhnlich .
    Ein unordentlicher Mensch, der saubermachte, bevor er verschwand. Selbstmörder taten das manchmal. Nichts in den Papierkörben.
    Nichts in den Aktenschränken. Keine persönlichen Unterlagen.
    Keine Unterlagen in Gary Connors Wohnung. Keine Unterlagen in Jellicoes Haus. Von Profis gesäubert? Profis, wie die beiden Männer, die sich selbst Detectives Carmody und Mildren von der australischen Bundespolizei genannt und am 5. April fünfundvierzig Minuten in Garys Wohnung verbracht hatten.
    Gary. Gary war der Dreh- und Angelpunkt. Am letzten Tag, von dem ich irgendetwas über ihn wusste, war er von einem Mann namens Canetti beobachtet worden, einem ehemaligen Bundespolizisten mit einem ACT -Führerschein.
    Diese ganze Sache fing allmählich an, kompliziert zu werden. Kompliziert und gefährlich. Rinaldi hielt Garys Verbindung zu Klostermann für Grund genug, sich zurückzuziehen. Barry Tregear hielt Garys Verbindung zu TransQuik für etwas, das meiner Gesundheit wenig zuträglich war.
    Frag nicht. Lass die Finger davon. Wenn diese Jungs wol len, dass es in Darwin schneit, dann schneit es da .
    Ich konnte Des erzählen, dass ich nichts weiter herausgefunden hatte, dass ich nun wirklich nicht mehr tun konnte. Das wäre vernünftig gewesen. Rinaldi würde es gut finden, Barry würde es gut finden, Drew würde es gut finden.
    Des' schmuckes Holzhaus in einer Straße voll mit hilfsbereiten und starken jungen Frauen würde ihm unterm Hintern weggezogen werden. Ein alter Mann ohne Haus, ohne Kapital, in Rente, wo würde der bleiben? In irgendeiner winzigen, engen Bude in einer verwahrlosten Feuerfalle von einem Mietshaus, all seine Habe in einem Koffer; auf einer verdreckten Matratze, einem durchgelegenen Bett würde er liegen und an die Decke starren, den Gestank der Toilette vom Flur in der Nase, die Körpergeräusche der hoffnungslosen Menschen rechts und links von ihm im Ohr.
    Ich holte das Foto hervor. Seit Des es mir gegeben hatte, schaute ich es mir jeden Tag an. Die drei Männer in Unterhemden auf dem Gerüst an einem schicksalhaften Tag. Ein Mann wendet sich ab, nicht identifizierbar. Der Mann in der Mitte lacht. Die Sehnen am Hals dieses Mannes zeichnen sich ab wie Balsaholzstreben unter feuchtem Küchenpapier. Er hat muskulöse Maurerarme und einen Kopf, der für seine mit Pomade angeklatschte Frisur viel zu schmal ist. Das ist Des.
    Und neben ihm auf diesem winzigen Bild steht mein Vater. Er ist groß mit breiten Schultern und starken Armen, einen ganzen Kopf größer als Des, dunkles, zurückgekämmtes Haar, ein spöttischer Zug um den Mund, amüsiert, den Kopf Des zugewandt.
    Es war sogar auf diesem kleinen Foto zu sehen, dass mein Vater Des Zuneigung entgegenbrachte und Spaß an seinem Lachen hatte. Des war ein Freund. Das war der Grund, warum ich nach Gary suchte, um Des' Geld zurückzubekommen. Mein Vater hätte gewollt, dass ich ihm half.
    Mein Vater würde wollen, dass ich ihm half.
    Der Gedanke kam ungefragt und mit ihm fiel mir der Titel von dem Buch ein, das Linda dagelassen hatte: Der Berg in der Ferne.
    O

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