Spur nach Ostfriesland
Wohnungstür, sein Allzeitstrahlen im Gesicht. »Sie haben Verstärkung mitgebracht, wie schade«, bedauerte er. »Ich hatte gehofft, Sie wären meinetwegen hier.«
»Nein«, entgegnete Patrizia, »jedenfalls nicht in dem Sinn. Dürfen wir reinkommen?« Etwas war anders an ihm, glaubte sie, aber sie wusste beim besten Willen nicht, was.
»Aber immer, bitte.« Er streckte den Arm in einer deutlich ironischen Geste des Willkommens aus und schloss die Tür hinter ihnen. »Sie müssen das Durcheinander entschuldigen, ich bin gerade von einer Reise zurückgekommen.«
Das Durcheinander bestand aus gerade mal einer im Flur stehenden Reisetasche. In die sie zu gern einen Blick geworfen hätte. »Ach ja? Wo waren Sie denn?«, erkundigte sie sich.
»Ertappt.« Petersen gab sich zerknirscht. »Ich war in Köln. Karneval. Ich hoffe, Sie werden das vertraulich behandeln. Was kann ich für Sie tun? Geht es immer noch um die verschwundene Frau?«
»Vertraulichkeit kann ich Ihnen nicht zusichern«, gab Patrizia zurück. »Wir ermitteln im Fall eines Mordversuchs an Inka Morgenroth. Ich brauche das also etwas genauer. Wo haben Sie übernachtet, wer hat sie gesehen?«
»Und ich brauche jetzt ein Alibi? Meine Güte! Wer ist die Frau überhaupt?«
Nun übertreib mal nicht, dachte Patrizia. »Reine Routine«, behauptete sie, eine Floskel, die sich durchaus als hilfreich erwies, wenn man nicht mehr als nötig preisgeben wollte. Sie zückte Block und Kuli und wartete.
»Ich war bei meinem Bruder.« Petersen wurde hektisch, leichte Röte überzog sein Gesicht. Hitzewallung?, überlegte sie gehässig. Er stürzte auf die Garderobe zu, an der sein Mantel hing.
»Ich mach das«, fing Schüttler ihn ab. Seine Stimme strahlte trotz des beträchtlichen Größenunterschieds eine erstaunliche Autorität aus, der Petersen sich klaglos beugte.
»Mein Adressbuch ist da drin, sonst nichts«, behauptete er.
Schüttler reichte es ihm.
Petersen diktierte ihr Anschrift und Telefonnummer.
»Er kann also bezeugen, dass Sie – seit wann? – ununterbrochen in Köln waren?«
»Seit Freitagabend. Doch, ja. Heute, beim Rosenmontagszug, da haben wir uns aus den Augen verloren, aber sonst waren wir die ganze Zeit zusammen.«
Ein Bruder, stöhnte sie innerlich, der würde alles bezeugen, was Petersen ihm vorgab. »Sonst niemand?«, fragte sie.
»Was erwarten Sie denn beim Karneval? Da gibt man sich nicht zu erkennen.«
Petersen strahlte Empörung aus, die rechtschaffen sein mochte. Genauso gut konnte das Glimmen in seinen Augen auch ein Hinweis auf beim Karneval angeblich übliche promiske Aktivitäten seinerseits sein. »Inka Morgenroth kennen Sie also nicht?«, vergewisserte sie sich.
»Der Name sagt mir gar nichts. Würden Sie mir jetzt erzählen, dass sie als Tänzerin aus Tausendundeiner Nacht unterwegs war, bevor jemand versucht hat, sie zu ermorden, dann könnte ich vermutlich nichts ausschließen, so unvorstellbar mir das vorkäme. Mein Alkoholpegel war nämlich nicht in einem Bereich, der die Erinnerung an Details befördert. Der jener Dame ebenso wenig.«
»Kann ich mir vorstellen«, schaltete Schüttler sich ein. »Es ist nicht leicht, eine Frau zu bewegen, an einem flotten Dreier teilzunehmen.« Er senkte konspirativ die Stimme. »Meine Versuche sind gescheitert. Einmal war’s zu wenig Alkohol und das andere Mal entschieden zu viel. Das Mädel hat nur noch gekotzt.«
Ich liebe appetitliche Details, dachte Patrizia entnervt. Was wurde das hier? Ein Aufreißerseminar?
»Es gibt natürlich andere Methoden«, sprang Petersen auf das Thema an. »Habe ich jedenfalls gehört, eigene Erfahrung ist das natürlich nicht, aber wieso Dreier?«
Er sprach zwar mit Schüttler, behielt jedoch die ganze Zeit Patrizia im Auge. Unangenehm, fand sie, und sein Blick war dazu angetan, sie auf den nächsten Baum flüchten zu lassen. »Sie haben doch eben gesagt, Ihr Bruder sei dabei gewesen, oder nicht?«, erläuterte sie.
»Wir teilen vieles, aber nicht unsere Frauen.« Petersen war indigniert. »Seine Wohnung verfügt über ein Gästezimmer, es war also nicht nötig, eine Gruppenveranstaltung daraus zu machen.«
»Den Namen Ihrer Tänzerin kennen Sie nicht?«, hakte Patrizia nach.
»Nein. Sie hat sich mir als Scheherazade vorgestellt. Wie ich schon sagte, Anonymität ist beim Karneval oberstes Gebot.«
»Im richtigen Leben sind dagegen stichhaltige Alibis deutlich von Vorteil«, sagte Patrizia säuerlich. Sie glaubte ihm zwar nicht, fürchtete
Weitere Kostenlose Bücher