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Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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ganz dicke kam, übernahmen sie durch Fernwartung ihren Computer. Zuzusehen, wie von fremder Hand scheinbar willkürlich Veränderungen im System vorgenommen wurden, hatte etwas von den zweifelhaften Qualitäten eines Abenteuers mit ungewissem Ausgang. Einmal waren während eines solchen Vorgangs plötzlich chinesisch anmutende Schriftzeichen in rasender Geschwindigkeit über den Bildschirm geflogen, das hatte glatt zu etwas wie Panik am anderen Ende der Leitung geführt und hätte sie, wenn es nicht ihr Computer gewesen wäre, mit einer gewissen Genugtuung erfüllt. Aber normalerweise behoben sie die Macken schnell und sicher, und wenn danach etwas trotzdem nicht funktionierte, lag das nur daran, dass sie etwas so Banales wie »Neu starten« nicht gemacht hatte. Seither war genau dies das Erste und das Letzte, was sie tat, falls das System muckte. Heute half es. Sie nahm es als gutes Omen.
    Sie ging zurück in die Küche, mied den Blick auf all die schweren Kisten, die sie heute schon hatte hereinwuchten müssen, und widmete sich der Post. Ein ansehnlicher Stapel, der erst durch das Aussortieren der Verlagsbestellungen schrumpfte. Übrig blieben Prospekte von Kleinstverlagen, die Titel wie »Edelsteintherapie bei Haustieren« feilboten, und von durchaus renommierten Verlagen mit ebenso sinnigen Titeln wie »Werde arm, aber glücklich«. Der letzte Umschlag war für sie. Persönlich.
    Sie schloss die Augen, riss den Umschlag auf und faltete den Brief auseinander, bevor sie sie wieder öffnete. Bitte, sie hatte es ja gewusst, und das Omen hatte nicht getaugt. Den Text dieser Absage empfand sie allerdings als ungleich verletzender als die üblichen Formbriefe, deren Gehalt zumeist gegen null ging. »Wenn Sie schon nicht von Haus aus prominent sind«, las sie, »dann muss wenigstens der Text von so herausragender Qualität sein, damit überhaupt eine Chance besteht, ihn unterzubringen. Mir ist klar, dass mir dabei möglicherweise ein Bestseller entgehen kann, aber mit dem Risiko muss ich leben.«
    Vielen Dank! Sie ließ den Brief sinken. War sie der Agentin auf die Füße getreten, als sie nach drei Monaten gewagt hatte, ganz vorsichtig anzufragen, ob ihr Manuskript überhaupt eingetroffen war? Es sah ganz danach aus. Sei’s drum, unter diesen Voraussetzungen hätte sich eine Zusammenarbeit wahrscheinlich ohnehin schwierig gestaltet. Trotzdem war sie wütend. Und traurig. Aber, kam ihr in den Sinn, prominent zu sein, war vielleicht gar nicht so unerreichbar. Falls ihr Mann sich als Mörder entpuppen sollte. Was für ein Karrieresprung!
    Sie war zynisch, und zugleich rückte dieser Gedanke die Nachricht in eine angemessene Dimension. Sie hatte wahrhaftig andere Sorgen als ihre nichtexistente Karriere als Schriftstellerin.
    Es klingelte, und sie öffnete die Tür. Marie. Aber heute war doch Mittwoch. »Keine Schule heute?« Katharina war verwirrt.
    »Lehrerfortbildung«, murmelte Marie, zog sich die Kapuze vom Kopf und lächelte sie schief an, wie um zu demonstrieren, dass ihr wirklich ein Zahn gezogen wurde.
    »Ach so.« Das hatte sie völlig vergessen. »Und, wie geht’s dir? Alles gut überstanden?«
    »Ja, schon, aber ich sehe schrecklich aus«, jammerte Marie.
    »Blödsinn, man sieht doch schon gar nichts mehr.« Wenn sie sich recht erinnerte, verbrachte man in dem Alter eine Menge Zeit vor dem Spiegel, nach Makeln suchend, die eher eingebildet denn vorhanden waren, die drohenden Pickel fast schlimmer als die ausgebrochenen.
    »Ich weiß, dass du weißt«, sagte sie – oh ja, ein sprachliches Meisterwerk, aber manche Dinge auszusprechen fiel ihr schwerer, als einen Roman zu schreiben –, »dass Franziska verschwunden ist. Und ich weiß auch, dass du abgeholt werden wirst, bis, nun ja, bis das alles vorbei ist. Ich möchte eigentlich nur sagen, dass du immer zu mir kommen kannst – und das auch sollst –, wenn dir irgendetwas seltsam vorkommt oder gar unheimlich. Und wenn du für eine Weile lieber nicht hier arbeiten willst, dann kann ich das auch verstehen, und wir finden eine Lösung, okay?«
    »Das ist jetzt aber nicht so was wie ‘ne Kündigung?« Marie riss empört die Augen auf.
    »Natürlich nicht«, beschwichtigte sie. »Ich will nur nicht, dass dir etwas zustößt. Das könnte ich mir nie verzeihen. Mit Franziska, das ist schon so schrecklich, und vielleicht wäre sie noch hier, wenn sie nicht allein gewesen wäre.«
    »Hey«, Marie legte ihr zaghaft die Hand auf den Arm, »es ist ja nicht so, dass

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