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Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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Lampe warf ihr kaltes Licht auf das brillenlose Klo und das Miniaturwaschbecken, das nur über einen Kaltwasserhahn verfügte. Sie drehte den Hahn auf. Wasser, immerhin. Sogar ein winziger Spiegel hing an der Wand, nein, war in die Wand eingearbeitet. Er lag so unter Putz, dass ihr zwar ein Blick hinein gewährt wurde, sie aber ohne Werkzeug niemals an das Glas käme. Sie wog die Seife in der Hand, bevor sie mit aller Kraft zuschlug. Nein, sie hatte es geahnt, das Seifenstück hatte eine Delle bekommen, und der Spiegel war lediglich verschmiert. Ein Segen allerdings, denn was sie von sich erkennen konnte, war erschreckend, und sie fuhr zurück, rieb hektisch mit der Seife die noch blanken Stellen blind.
    Mein Gott, wie lange war sie schon hier? Sie sah aus wie verhungert oder wie ein Junkie auf Entzug, die Ringe unter ihren zu großen Augen dunkler als die Brauen, und ihre Haut war ganz schorfig. Sie fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht, das sich rau und krümelig anfühlte. Salz, nahm sie an, sie musste unendlich viele Tränen vergossen haben.
    Unwillkürlich entfuhr ihr ein Stöhnen, und abermals drohten Tränen. Sie schluckte. Nimm dich zusammen, beschwor sie sich, schluckte wieder. Zögernd zog sie ihren Pullover aus und wusch sich, schaudernd vor Kälte, spülte sich den Mund aus, aber der schale Geschmack blieb. Sie zog den anderen Pullover an, ließ ihren vor der Tür liegen, bückte sich nach dem eingewickelten Brot und stellte sich zum Aufwärmen vor die Heizung. Sie betrachtete das Brot von allen Seiten, bevor sie es auswickelte, aufklappte und daran roch. Käse, es roch nur nach Käse. Trotzdem überlegte sie, ob sie es essen könnte, nicht etwas darin war, was nicht hineingehörte. Wahrscheinlicher wäre, dass das Wasser nicht in Ordnung war, außerdem musste sie etwas essen, wenn sie nicht verhungern wollte.
    Sie biss hinein. Zwang sich, langsam zu kauen, wer wusste schon, wann sie das nächste Mal etwas bekäme. Es schmeckte ganz in Ordnung. Als sie fertig war, drehte sie den Verschluss der Plastikflasche auf. Das Wasser zischte, und das wäre wohl nicht der Fall, wenn ihm etwas beigemengt worden wäre, oder? Sie schnupperte daran, roch nichts und probierte einen winzigen Schluck. Wasser, entschied sie, es machte ja auch wenig Sinn, wenn man sie erst jetzt vergiftete.
    Sie war erschöpft wie von einem ganzen Tag Arbeit. Schlafen, dachte sie, obwohl sie doch – wer weiß, wie lange schon – nichts anderes getan hatte. Sie trank, schraubte die Flasche zu und legte sich hin. Zu hell, bei Licht konnte sie nicht schlafen. Sie stand auf und ging zum Schalter, drehte ihn. Vergeblich. Als hätte sie’s geahnt.
    Mit hängenden Schultern schlurfte sie zurück. Plötzlich, wie aus dem Nichts, begann eine blecherne Stimme zu säuseln: »Eine gute Ehefrau weiß stets, wo ihr Platz ist.« Was sollte das denn nun? Sie war nicht verheiratet, jedenfalls noch nicht, sie wollte ihr Studium beenden, arbeiten, und dann irgendwann an Ehe und vielleicht Familie denken, nicht jetzt, nicht bald. Sie verbot sich, über die Zukunft nachzudenken, denn diese Zukunft fand ohne sie statt, das Leben, das ganz normale Leben da draußen ging weiter, ohne sie, als hätte es sie nie gegeben.
    »Eine gute Ehefrau weiß stets, wo ihr Platz ist.« Im Keller vielleicht? Was für ein bescheuertes Weltbild, so dachte doch heutzutage kein normaler Mensch mehr. Aber das, was mit ihr hier geschah, war auch nicht normal, es war total krank. Andererseits, und jetzt begann ihr Herz zu jagen, sie zitterte förmlich vor Aufregung, war es möglich, dass es doch eine Zukunft gab, sie nicht hier drin vermodern würde? Hieß das, sie könnte gehen, wenn – wenn was!!
    »Eine gute Ehefrau –« Sie schrie.
    ***
    Phantastisch, dachte er, es verlief alles nach Plan. Sie war bereit. Er hatte den Funken Hoffnung auf ihrem Gesicht aufflackern sehen und glaubte nicht, dass ihr innerer Widerstand allzu lange anhalten würde.

6
    Kein Netzwerk. Katharina Martens fuhr beide Computer herunter und begann die Prozedur von Neuem, in der Hoffnung, dass sich das Problem von selbst löste und die Verbindung zwischen Kassen- und Hauptcomputer beim zweiten Versuch hergestellt würde. Manchmal klappte das, manchmal nicht. Dann brauchte sie die Hotline, wo die richtigen Cracks nur auf Trottel wie sie warteten, um sie durch rätselhafte Anwendungen zu führen. Mit einem Tonfall, als würden sie einem Erstklässler die Geheimnisse des Alphabets offenbaren. Wenn es

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