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Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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Wesen – wir werden sie alle überprüfen müssen, aber das kann bis morgen warten. Ich habe hier die Kundenlisten der Buchhandlung.« Er legte die Hand auf den Stapel und hätte schwören können, dass er seit vorhin angewachsen war. »Sie sind lückenhaft.« Er erklärte, warum. »Aber vielleicht haben wir ja Glück und es gibt Überschneidungen mit den Haltern der Vectras oder mehrere Besuche ein und derselben Person. Bei Kund innen  überprüft ihr bitte auch die Familienmitglieder. Holt euch Hilfe, wir brauchen Ergebnisse, und zwar schnell. Ich gehe erst mal zu Groen rüber, oder gibt es da schon was Neues?«
    »Nein.« Zinkel starrte entgeistert auf den Papierberg. »Ich hab ihm gleich heute Morgen gesagt, was wir wissen wollen, aber er hat sich noch nicht gemeldet.«
    »Gut«, sagte Hartmann und stemmte sich von seinem Platz hoch. »Bis später.«
    Nicht gut, dachte er, als er sich auf den Weg machte, nichts an diesem Fall war gut. Ein blindes Stochern im Nebel in der Hoffnung, auf den geringsten aller Hinweise zu stoßen. Noch nie, so schien es ihm, hatten sie so wenig in der Hand gehabt. Keine Leiche. Keinen Beweis für eine Entführung, wie zum Beispiel eine ganz banale Lösegeldforderung. Keinen erkennbaren Tatort. Keine verwertbaren Spuren von irgendetwas. Kein Motiv. Und da es all dies nicht gab, hatten sie auch keine Unterstützung von irgendwem zu erwarten. Es würde keinen einzigen Durchsuchungsbeschluss geben und keine Abhörgenehmigung, nichts, was die Ermittlungen erleichtern könnte.
    Das Einzige, was sie hatten, war sein vages Bauchgefühl, dass Franziska noch lebte, und Gentners merkwürdiges Verhalten. Warum sollte sich jemand verdächtig machen, wenn er nichts damit zu tun hatte? Warum sollte sich jemand verdächtig machen,  wenn er etwas damit zu tun hatte? Eine Entführung fand genauso wenig ohne Motiv statt wie jedes andere Verbrechen. Wenn es Geld nicht war, war es Gier? Irregeleitete Liebe? Es passte alles nicht zusammen. Und wenn sie doch freiwillig verschwunden war? Selbst dafür brauchte man ein Motiv, ärgerte er sich, nicht einmal das kam hin. Er klopfte an Groens Tür und betrat das Büro, ohne eine Antwort abzuwarten.
    »Ich hab doch gesagt, ich melde mich.« Ulf Groen stellte vorsichtig und mit abgespreiztem kleinem Finger die Porzellantasse ab, aus der er gerade getrunken hatte.
    »Ich weiß, aber ich wollte einem unglaublichen Papierberg aus dem Weg gehen.«
    Groen nickte verständnisvoll. »Auch eine Tasse?«, bot er an.
    »Nein danke.« Tee, Hartmann rümpfte gedanklich die Nase. Groen war der einzige Teetrinker im Haus, soweit er wusste, zumindest der einzige, der sich niemals mit einem Teebeutel begnügen würde, sondern die Zeremonie der Zubereitung zu einem Kult erhoben hatte.
    Der Mann war ein wandelnder Widerspruch, seine Hemdsärmeligkeit, die auf dem Tisch liegenden Füße, die undefinierbaren Flecken auf seiner Krawatte hätten eine Bierflasche nahegelegt oder die Schnapsflasche im Schreibtisch. Nein, er trank Tee, und allein die Wahl zwischen all den Sorten, die er in farbenfrohen Dosen sorgsam hütete, würde Hartmann mehr Kopfschmerzen denn Genuss bereiten.
    »Viel hab ich nicht für dich, das Problem ist ja, dass wir kein eigentliches Opferprofil haben. Kainz und Eising sind jung, und das ist schon die einzige Gemeinsamkeit, wenn wir vom Arbeitsplatz mal absehen. Und auf weitere verschwundene Buchhändlerinnen bin ich nicht gestoßen. Die problematischste Hypothese ist natürlich, dass wir nicht wissen, ob auch Franziska Eising wieder auftauchen wird.«
    Hartmann wartete wohlweislich schweigend ab. Groen zu unterbrechen, wenn er eine Gedankenkette entwickelte, würde heftigen Unmut nach sich ziehen.
    »Etwas anderes ist mir allerdings aufgefallen: Beide Frauen besitzen kein Auto. Beide sind auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen, und vielleicht ist es ja dieser Umstand, der dazu geführt hat, dass sie so unbemerkt entführt werden konnten, wenn es denn das ist, was geschehen ist. Vielleicht ist die Gemeinsamkeit nicht Buchhändlerin, sondern Standort. Dorf.«
    »Lass das bloß keinen Niedernhausener hören«, warf Hartmann ein. »Aber ich stimme dir zu«, fuhr er fort, »das könnte es sein. Die Wahrscheinlichkeit, so etwas nahezu unbemerkt durchziehen zu können, ist in einem Ort wie Niedernhausen, wo abends die Bürgersteige hochgeklappt werden, ungleich größer als hier in Wiesbaden oder jeder anderen Großstadt. Oder als in einem richtigen Dorf, wo

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