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Spuren des Todes (German Edition)

Spuren des Todes (German Edition)

Titel: Spuren des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith O'Higgins , Fred Sellin
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etwa sechzig Grad Celsius vor sich hin. Durch Fäulnis- und Zersetzungsprozesse hatte sich Schwefelwasserstoff gebildet, ein nach faulen Eiern riechendes, stark giftiges Gas.
    Der Laster rangierte rückwärts in die Halle, bis zu einer Grube, die normalerweise mit einer Metallklappe abgedeckt war, an diesem Tag aber offen stand. Bevor die Tankladung in die Grube gefüllt wurde, musste das Tor wieder verschlossen werden, um die Wirkung der Entlüftungsanlage nicht zu beeinträchtigen. Diese sorgte dafür, dass in der Halle ein gewisser Unterdruck entstand, der zu einem schnelleren Abzug der beim Umfüllen freigesetzten Gase führte. Gleichzeitig wurde über einen Ventilator großflächig ein Geruchsneutralisierungsmittel versprüht, um den Beschäftigten die Arbeit erträglicher zu machen.
    Bernd Wenzig schloss einen dicken Schlauch an den Tank des Lasters an, das andere Ende befand sich in der Grube. Dann öffnete der Fahrer das Ventil, damit der Dünndarmschleim durch den Schlauch in die Grube laufen konnte.
    Die anderen beiden Beschäftigten der Biogasanlage müssen sich zu diesem Zeitpunkt woanders in der Halle aufgehalten haben, allerdings in Sichtweite.
    Kurz vorher war ein zweiter Tanklastwagen auf dem Gelände eingetroffen. Da der Fahrer – ein achtundzwanzigjähriger Mann aus Bremerhaven – sah, dass er warten musste, ging er ins Büro, um einen Kaffee zu trinken. Das Büro war ein abgetrennter kleiner Verschlag innerhalb der Anlieferungshalle. Durch eine Glasscheibe konnte man beobachten, was sich in der Halle tat. Fahrer, die mit dem Entladen ihrer Transporter noch nicht an der Reihe waren, warteten meistens dort, um zu sehen, wann es für sie weiterging. Wie viel Zeit zwischen dem Öffnen des Ventils durch den belgischen Lastwagenfahrer und dem Moment verstrich, als der junge Mann im Büro hastig seine Kaffeetasse absetzte und aufsprang, um hinauszurennen, ließ sich hinterher nicht genau rekapitulieren. Es dürften nur einige wenige Minuten gewesen sein.
    Aufgeschreckt hatte ihn, was vor seinen Augen in der Halle geschehen war: Nur einen Augenblick nachdem der Belgier das Ventil aufgedreht hatte, waren er selbst und gleich darauf auch der Betriebsleiter Bernd Wenzig zusammengebrochen und bewusstlos auf dem Boden liegengeblieben. Als wären sie nacheinander von einer unsichtbaren Faust ausgeknockt worden. Die zwei Mitarbeiter, die sich ebenfalls in der Halle aufhielten, eilten ihnen zu Hilfe. Oder vielmehr: Sie taten es in der Absicht, ihnen zu helfen. Doch kaum hatten sie sich der offenen Grube genähert und zu den Bewusstlosen hinuntergebeugt, brachen auch sie zusammen, ohne noch mehr als ein klägliches Röcheln von sich zu geben.
    Im ersten Impuls lief der achtundzwanzigjährige Lastwagenfahrer zu den vier Personen in die Halle. Sein Glück war, dass er gar nicht erst versuchte zu verstehen, was passiert war. Instinktiv muss ihm beim Anblick der anderen klargeworden sein, dass er nichts tun konnte, außer sich selbst in Sicherheit zu bringen. Und dafür musste er schleunigst aus dem Gebäude verschwinden.
    Er schaffte es bis vor das große Hallentor, lief weiter über den Hof, Richtung Zufahrtsstraße. Sein Handy hatte er vorher schon aus der Tasche gezogen, und während er rannte, verständigte er keuchend die Feuerwehr. Nur noch wenige Meter, dann hatte er das Eingangstor des Zauns erreicht, der das weitläufige Areal umgab. Seine Schritte wurden immer schwerer, bis die Kraft, die ihn aufrecht hielt, ganz versagte. Er blieb stehen, rang schwer nach Luft, während ihn Übelkeit übermannte, dann sackte er zusammen.
    Es dauerte fast eine Viertelstunde, bis die ersten Rettungskräfte eintrafen. Und das war schon schnell, da das nächste Krankenhaus über fünfzehn Kilometer entfernt lag. Am Eingangstor stießen sie auf den achtundzwanzigjährigen Lastwagenfahrer. Der kurze Aufenthalt in der Anlieferungshalle hatte bei ihm schwere Atemwegsverletzungen verursacht. Es ging ihm schlecht, aber er war bei Bewusstsein – und geistesgegenwärtig genug, die Rettungskräfte davor zu warnen, die Anlieferungshalle ohne Atemschutz zu betreten.
    Während der junge Mann im Rettungswagen mit Blaulicht ins Krankenhaus gebracht und dort sofort intubiert und beatmet wurde, machten sich auf dem Gelände der Biogasanlage mehrere Feuerwehrleute daran, die Verunglückten aus der Halle zu bergen. Alle vier atmeten nicht mehr, bei keinem von ihnen war der Puls fühlbar, und sie hatten Schaum vor dem Mund.
    Inzwischen

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