Spuren des Todes (German Edition)
auf Mitte, Ende fünfzig schätzte. Sie trug schwarze Jeans und eine weinrote Strickjacke mit einem Gürtel aus Wolle, dessen Enden an beiden Seiten herunterhingen. Während sie sprach, rieb sie ihre Hände, als sei sie gerade dabei, sie unter einem Wasserstrahl zu waschen. Die Frau schien nervös zu sein, was man irgendwie verstehen konnte – sie war die Chefin der Firma.
Keine fünf Schritte von der Gruppe entfernt lag der Tote auf dem betonierten Boden, ausgestreckt in Rückenlage, die Arme dicht am Körper. Das rechte Bein berührte mit dem Knie das Vorderrad eines Gabelstaplers. Der wiederum stand etwa einen Meter vor einem hohen Stahlkoloss, von dem wir nicht wussten, welche Funktion er erfüllte. Die Firmenchefin klärte uns auf, es handelte sich um eine Maschine, mit der Metall gepresst wurde.
Etwa in der Mitte des eigentümlichen Monstrums befand sich eine Öffnung, wie ein aufgerissener metallener Schlund, das Ganze in Übergröße. Dorthinein ragten die Spitzen der Gabeln des Staplers. Die Aufgabe des Mannes, der jetzt zwischen Gabelstapler und Metallpresse lag, hatte darin bestanden, Metallplatten aus dem Lager zu holen und eine nach der anderen in besagten Schlund zu verfrachten, wo sie eine neue Form erhielten. Diese Arbeit hatte er nicht zum ersten Mal verrichtet, diesmal musste etwas schiefgegangen sein.
Unter dem Kopf des Mannes hatte sich kreisförmig eine Blutlache von etwa fünfzig Zentimetern Durchmesser ausgebreitet. Der Kopf war leicht zur Seite geneigt, von vorn betrachtet wirkte er unnatürlich schmal, als wäre er in einen großen Schraubstock gespannt worden.
Dieser Vergleich war gar nicht so abwegig, wie wir erfuhren. Tatsächlich war der Schädel des Mannes in Höhe der Schläfenregion auf beiden Seiten eingedrückt worden. Und zwar so stark, dass an den Bruchstellen jeweils ein Spalt klaffte, durch den man ins Schädelinnere sehen und das Hirngewebe erkennen konnte. Bei der Sektion des Kopfs zählten wir später mehr als zwanzig Knochenfragmente, in die der Schädel zerborsten war. Selbst das Hirngewebe war stellenweise regelrecht zu Brei gequetscht.
Um die Todesursache musste man bei einem massiven Schädel-Hirn-Trauma wie diesem kein großes Rätselraten veranstalten. Eine solch schwere Kopfverletzung überlebt niemand. Nicht die geringste Chance auf Rettung gibt es da, ganz gleich wie schnell der Betroffene ärztliche Hilfe bekäme. Und auch ungeachtet der Tatsache, dass der Mann in diesem Fall, nachdem ihm die Verletzungen zugefügt worden waren, noch eine gewisse Zeit gelebt haben dürfte. Wir fanden Blut in seinen Atemwegen, das musste er eingeatmet haben. Wobei ich von höchstens einigen wenigen Minuten Überlebenszeit spreche, mehr konnten es unmöglich gewesen sein.
Die Todesursache hätte man nur in Frage stellen können, wären wir bei der Obduktion auf andere schwerwiegende Verletzungen gestoßen, denen man ebenfalls eine todesursächliche Wirkung hätte zuschreiben müssen. Dann wäre aber immer noch zu prüfen gewesen, ob sie dem Opfer vor den Verletzungen am Kopf zugefügt wurden. Das erübrigte sich hier. Bis auf ein paar harmlose Blessuren war der Körper des Toten unversehrt.
Die eindeutig schwierigere Frage war, wie es zu den tödlichen Verletzungen kommen konnte. Angeblich gab es keine Zeugen, die gesehen hätten, was mit dem Mann passiert war. Die Ersten, die nach dem Vorfall in seiner Nähe auftauchten, zwei andere Arbeiter, wurden bereits mit dessen Folgen konfrontiert: Sie fanden ihn in aufrechter Position zwischen der Hubvorrichtung des Gabelstaplers und dem Oberteil des Metallpressenschlunds, das etwas hervorstand. Vermutlich war er da bereits tot. Ganz sicher aber hätte er längst auf dem Boden gelegen, wäre sein Kopf nicht zwischen der Presse und der Querverbindung am hinteren Ende der Gabeln eingequetscht gewesen.
Bei diesem Einsatz lernten wir einiges über Gabelstapler. Eine der wichtigsten Informationen, soweit es den Fall anging, war die, dass die meisten Stapler heutzutage mit Sitzkontaktschaltern ausgestattet sind. Diese sorgen unter anderem dafür, dass sich der Stapler nur dann fortbewegen kann, wenn jemand mit seinem Körper den Sitz belastet. Sobald der Fahrer seine Position verlässt, wird der Stromkreis unterbrochen und alles blockiert. Und genau das war der Punkt, der den Verdacht nahelegte, dass es vielleicht gar kein Unfall war, sondern jemand nachgeholfen hatte.
Die Ermittlungen zogen sich über Wochen hin. Bei einem zweiten
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