Spuren des Todes (German Edition)
besser.
Nur einmal war der typische Schwefelwasserstoffgeruch noch deutlich wahrnehmbar – als wir die Atemwege eröffneten und dabei auch die Luftröhre durchtrennten. Dort war das Gas nach wie vor in einer relativ hohen Konzentration vorhanden.
Aber das war nur ein weiterer Hinweis auf eine Vergiftung. Bevor wir zu den Atmungsorganen vorgedrungen waren, hatten wir schon andere gefunden. Im Kopf zum Beispiel, dort stellten wir ein ausgeprägtes Hirnödem fest. Die Hirnrinde – sowohl des Groß- als auch des Kleinhirns – und die Stammknoten wiesen außerdem eine deutliche Grünfärbung auf. Die Farbe war ähnlich der der Leichenflecken, die sich am Kopf gebildet hatten.
Für eine Vergiftung sprachen aber auch ein blutiges Lungenödem, Schocknieren, ein akuter Blutstau in den inneren Organen, Erstickungsblutungen an der Herzaußenhaut, im Kehlkopfinneren und in den Nierenbecken.
Aufgrund der Vorgeschichte blieb am Ende nicht der geringste Zweifel, dass es eine Schwefelwasserstoffvergiftung war, die den Tod des Mannes herbeigeführt hatte. Und nicht nur seinen. Auch die Obduktion des belgischen Tanklastzugfahrers, die Lars und ich im Anschluss vornahmen, führte zu diesem Ergebnis.
Am nächsten Tag erreichte uns am Institut die Nachricht, dass in der Zwischenzeit auch zwei der anderen Opfer gestorben waren. Trotz intensivmedizinischer Behandlung hatte die vierunddreißigjährige Frau nicht einmal die Nacht nach dem Unglück überstanden. Und nur wenige Stunden danach hatten die Ärzte auch den Kampf um das Leben des zweiten Mitarbeiters der Biogasanlage – er war drei Jahre jünger als sie – aufgeben müssen.
Einzig der junge Tanklastzugfahrer aus Bremerhaven schaffte es. Er sollte noch Wochen im Krankenhaus liegen, wurde später aber wieder völlig gesund.
Mit einem nicht weniger tragischen, wenn auch völlig anders gearteten Todesfall auf dem Land hatten wir uns einige Zeit später zu beschäftigen. Der Ort war so klein, dass man ihn kaum auf einer Karte finden konnte. Damals hatten wir noch kein Navigationsgerät im Auto. Im Grunde war es gar kein richtiger Ort, sondern eine weitflächig verstreute Ansammlung einzeln stehender Gehöfte, die von Feldern umgeben waren. Es gab weder so etwas wie einen Ortskern noch ein Gemeindehaus, nicht mal einen winzigen Supermarkt oder eine Schulbus-Haltestelle. Jedes Anwesen war so weit vom nächsten entfernt, dass man ein Fahrrad nehmen musste oder das Auto, um zum Nachbarn zu gelangen.
Das Gehöft, zu dem wir mussten, lag direkt neben einer Landstraße. Es gehörte den Nachfahren eines Schmieds, die den alteingesessenen familiären Handwerksbetrieb zu einer kleinen Metallbaufirma erweitert hatten. Als wir – mein Kollege Jan Sperhake und ich – auf den Hof fuhren, fielen mir drei Paletten mit schlanken, hohen Gasflaschen ins Auge; es waren solche, die man beim Schweißen verwendete. So aufgereiht sahen sie wie ein kleines Raketendepot aus.
Unmittelbar hinter ihnen erhob sich die grau-verwitterte Wellblechwand einer Halle, die ein ganzes Stück höher in den Himmel ragte als das Wohnhaus der Familie, das sich links davon befand und offensichtlich schon bessere Zeiten erlebt hatte. Von den Wänden, auch die waren grau, blätterte an mehreren Stellen der Putz. Rechts und links eines jeden Fensters hingen Fensterläden windschief in rostigen Halterungen. Ihr Holz schien früher grün gewesen zu sein, jetzt ließ sich die Farbe höchstens noch erahnen.
Bevor wir losgefahren waren, hatten wir nur relativ spärliche Informationen erhalten. Auf dem Gelände der Firma sei ein Arbeiter ums Leben gekommen, hatte man uns gesagt, offenbar zerquetscht von einem Gabelstapler. Nun sind Unfälle mit Gabelstaplern keine Seltenheit, auch wenn die wenigsten davon tödlich enden. Trotzdem hatte es der Polizist am Telefon höchst eilig gemacht und gedrängt, wir sollten so schnell wie möglich kommen, der ganze Vorgang sei ziemlich rätselhaft.
Grund zur Eile gab es auch deshalb, weil die Leiche des verunglückten Arbeiters noch immer am Unfallort lag – falls wir es denn mit einem Unfall zu tun hatten. Um diese Frage ging es nämlich vor allem.
Auf dem Hof hatte sich bereits eine kleine Abordnung versammelt: zwei Kriminalbeamte, ein Staatsanwalt, zwei Feuerwehrleute, jemand vom Gewerbeaufsichtsamt, und ein Rettungssanitäter war auch noch da. Wie sie dort standen, bildeten sie einen Halbkreis um eine etwas untersetzte Frau mit halblangen brünetten Haaren, die ich
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