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Spuren im Nichts

Spuren im Nichts

Titel: Spuren im Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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die Beine in die Höhe gereckt wie ein totes Tier. Mehrere Rollen von etwas, das wahrscheinlich Leinwand gewesen war, lagen verstreut im Schlamm. Überall Pinsel und Stücke von einer Staffelei.
    An den Wänden sah sie Skizzen, fertige oder unvollendete, hauptsächlich Frauengesichter. Eingerahmt von Bäumen, Laternen, einem Vestibül, doch immer bildeten die Frauen den Mittelpunkt.
    Sie waren unvollständig, als hätte er Ideen ausprobiert. Der Gesichtsausdruck der Frauen war stets melancholisch, traurig, voller Sehnsucht. Keine Spur von fröhlicher Ausgelassenheit. Die Frisuren waren unterschiedlich, die Haare manchmal kurz, manchmal schulterlang, alles in den Moden der 70er Jahre. Dann bemerkte sie, während sie an der Wand entlang glitt und die Gesichter im Licht des Scheinwerfers betrachtete, dass alle Frauengesichter Emily darstellten.
    Oder sie selbst.
    Ihre Nackenhaare richteten sich auf.
    Sie zog die Kamera aus der Werkzeugtasche und fertigte Aufnahmen an. Sie versuchte jede noch so kleine Einzelheit festzuhalten.
    Eigentlich war sie hergekommen, weil sie gehofft hatte, die Logbücher der Hunter zu finden. Plötzlich jedoch erschien ihr diese Möglichkeit mehr als vage. Der umgestürzte Tisch besaß eine Schublade, also öffnete sie sie. Nur ein paar Lumpen, sonst nichts.
    Auf der anderen Seite des Ateliers befand sich eine weitere Tür, die zu einer umschlossenen Veranda führte. Dahinter lag ein Waschraum. Sie glitt durch die Tür und sah Plastikkübel und Blumentöpfe auf dem Boden der Veranda. Im Waschraum fand sie einen Arzneischrank und öffnete ihn. In einem der Container befand sich immer noch Luft. Er schwebte heraus und zur Zimmerdecke hinauf.
    Sie kehrte auf dem gleichen Weg zurück, den sie gekommen war, durch das formelle Wohnzimmer hindurch und in den dahinterliegenden Flügel.
    Sie öffnete Schubladen, brach Schränke auf, wo die Scharniere verrostet waren, und suchte überall. Dann schwamm sie nach oben und durchwühlte Schlafzimmer und Bäder. In den Küchenschränken stand noch Geschirr. Sie war schockiert, als sie einige von Kanes Trophäen im Schlamm fand, einschließlich der Tapferkeitsmedaille des Konzils, der höchsten Auszeichnung, die die Republik Greenway zu vergeben hatte. Eigenartig auch, dass vor ihr noch niemand hier gewesen war und den Schatz gehoben hatte.
    Tora sollte sie haben. Sie wischte den Orden sauber und steckte ihn ein.
    Plötzlich spürte sie Bewegung im Wasser.
    Und hatte ein Gefühl, als wäre sie nicht mehr allein.
    Sie lauschte einen Augenblick, während sie den Raum nach einem zweiten Ausgang absuchte, doch es war nichts zu hören. Der einzige Ausgang, sollte es nötig werden zu fliehen, war das Fenster, und sie würde riskieren, sich an den noch immer darin steckenden Glasscherben zu verletzen. Abrupt wirbelte sie herum, um zu sehen, ob jemand sie beobachtete – doch der Raum war immer noch leer bis auf die Schatten an den Wänden.
    Wie dumm.
    Es war nicht besonders schwer, sich vorzustellen, dass Markis Kanes Geist noch immer hier spukte. Wäre sie im hellen Sonnenlicht gewesen, hätte sie über den Gedanken gelächelt und ihn verächtlich abgetan. Doch hier unten … Es scheint in unseren Genen zu liegen, dass wir das Übernatürliche zu akzeptieren bereit sind, trotz all unserer Entwicklung. Wissenschaft und die Erfahrung eines ganzen Lebens haben nicht viel zu sagen, wenn erst die Lichter ausgegangen sind.
    Sie kehrte in die Haupthalle zurück, leuchtete jeden Winkel aus und schwamm dann zum hinteren Teil des Hauses. Unterwegs sah sie noch in einem Schrank und einem kleinen Schreibtisch nach. Inzwischen hatte sie eine Eskorte von Fischen, langen, regenbogenfarbenen Geschöpfen, die mit ihr zogen, aber sich in Sicherheit brachten, sobald Kim sich ihnen näherte. Sie war erfreut über ihre Gesellschaft.
    Zur Linken befand sich ein weiteres Schlafzimmer. Hier stand das Mobiliar mehr oder weniger noch immer an Ort und Stelle. Auf dem Boden, unter der allgegenwärtigen Schlammschicht, lag Kleidung oder Bettwäsche – unmöglich zu erkennen, ohne nachzusehen.
    Sie folgte dem Korridor weiter bis zur letzten Tür, die auf der rechten Seite lag.
    Das Allerheiligste.
    Die Tür war verschlossen.
    Sie drückte dagegen, zuerst vorsichtig, dann mit aller Kraft. Vergebens. Sie zog den Schneidlaser aus der Tasche und brannte sich ein Loch in das Türblatt, das groß genug war, um hindurchzuschwimmen.
    Im Licht des Scheinwerfers sah sie einen Schreibtisch, ein Sideboard,

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