Spuren im Nichts
Wasser.
Sie öffnete die Kanzel und blickte zum Waldrand hinüber, während sie in den Taucheranzug stieg. Die Zweige schwankten sanft im Wind, der vom See her wehte. Kein Eichelhäher, der durch den nächtlichen Himmel flatterte, kein Rotwild, das aus dem Wald zum Ufer kam, um zu trinken.
Sie stieg hinunter auf den Sand. Er knirschte unter ihren Schritten. Der Wind war kalt. Sie drehte die Temperaturregelung ihres Anzugs hoch und zog eine Wollmütze bis über die Ohren. Der Himmel war schwer und wolkenverhangen.
Sie zog das Schlauchboot von der Rücksitzbank, startete die automatische Pumpe, befestigte den Motor und zog es ins Wasser. Der Boden war transparent. Sie warf ein Paddel hinein, ihre Flossen und den Konverter. Und einen Packen Bilder von Severin Village, aufgenommen um 573. Dann suchte sie noch einen Steinbrocken, den sie als Anker benutzen konnte, und verband ihn mit einer vierzig Meter langen Leine, die alle zwei Meter Markierungen trug.
Zuletzt befestigte sie einen Handscheinwerfer und eine Kamera an ihren Handgelenken und band sich einen Gürtel um, in den sie eine Werkzeugtasche mit einem Kompass und einem Laserschneider einhängte. Als sie mit allen Vorbereitungen fertig war, stieß sie das Boot vom Ufer ab und startete den Motor.
Der See war unruhig. Obwohl sie eine Fernbedienung für den Motor hatte, saß sie hinten und steuerte von Hand auf den See hinaus.
Sie steuerte zunächst die Verbindungslinie zum Damm an, dann folgte sie ihr bis zu der Stelle, wo der Turm der Stadthalle und die Insel mit der ehemaligen Werkstatt eine gerade Linie bildeten. Dann schaltete sie den Motor ab und blickte durch den transparenten Boden nach unten. Das Wasser war klar, und sie konnte eine Bank erkennen. In der Nähe lag das Wrack eines Fliegers. Hinter dem Flieger bemerkte sie eine Reihe von Pfählen. Eine Kinderschaukel. Die Schaukel bewegte sich leicht in der Strömung, als das Schlauchboot darüber hinwegglitt. Das Boot hob und senkte sich.
Sie sah ein Haus, doch es war nicht das von Kane, es besaß nicht den richtigen Umriss. Nach ihren Bildern zu urteilen war es sein südlicher Nachbar, ein Arzt, der sich während der Katastrophe durch Mut und Umsicht hervorgetan hatte.
Sie steuerte geradeaus weiter, bis sie gefunden hatte, wonach sie suchte: einen Pavillon, eine Steinmauer, ein Thunderbird-Haus.
Das war es. Die schräg angebauten Flügel und Höfe und der lang gestreckte Mittelbau, das Dach mit seinen Firsten und Giebeln – es war unverwechselbar.
Kim warf ihren improvisierten Anker über Bord und maß die Tiefe. Vierzehn Meter. Ziemlich tief. Sie sicherte das Tau an der Sitzbank, zog ihren Konverter und ihre Maske an und glitt ins Wasser. Augenblicklich fühlte sie sich sicherer, als wäre sie nicht länger den Augen der unsichtbaren Beobachter preisgegeben.
Sie setzte ihre Jets ein, um tiefer zu gehen.
Graues Licht drang von der Oberfläche herab. Das Wasser wurde kälter und dann wieder wärmer, während sie verschiedene Strömungen durchquerte. Ein Aal glitt vorbei. Sie schaltete ihren Handscheinwerfer ein, und ein Schwarm Fische ergriff hastig die Flucht. Das Schlauchboot war ein dunkler Schatten über ihr.
Sie hielt auf Höhe des ersten Stocks an, vor einem Fenster, und blickte ins Innere. Alles war dick mit Schlamm überzogen, doch sie konnte ein Bett, eine Kommode und zwei Stühle erkennen. Ein Fisch glitt aus einem Belüftungskanal, wandte sich dem Scheinwerfer zu und verschwand dann aus dem Zimmer.
Sie tauchte zum Erdgeschoss hinunter. Die Eingangstür war verschlossen, und es gab weder einen Griff noch einen Knopf, um sie zu öffnen. Sie schwamm vorbei und an der Vorderseite des Gebäudes entlang, bis sie ein offenes Fenster entdeckte. Sie schwamm hindurch.
Der Lichtkegel ihres Scheinwerfers erfasste eine Couch, einen Kamin und einen Flachbildschirm an einer Wand. Dies musste das formelle Wohnzimmer gewesen sein, in dem Markis Kane nach den Worten Jorge Goulds seine Besucher empfangen hatte.
Erstaunlich. Kane hatte seine Möbel zurückgelassen, als er von hier weggezogen war. Er hatte alles dem Wasser überlassen.
Sie gelangte in die Haupthalle. Auf einer Seite führte eine Treppe nach oben, ein paar Stühle und ein Tisch lagen umgestürzt umher, ein paar Träger waren eingestürzt.
Kim durchquerte die Halle zum gegenüberliegenden Flügel. Sie hatte Mühe, die Tür zu öffnen. Dahinter blickte sie auf das, was einst Kanes Atelier gewesen sein mochte. Ein umgekippter Holztisch,
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