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Spuren im Nichts

Spuren im Nichts

Titel: Spuren im Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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Stützpfeiler brach und die gesamte Konstruktion ein paar Zentimeter nachgab. Sie packte das Geländer. Er beugte sich vor, als wollte er ihr helfen, doch dann überlegte er es sich glücklicherweise anders. Sein Gewicht wäre wahrscheinlich zu viel gewesen. In diesem Augenblick erfasste ihre eigene Lampe seine Gestalt, und sie sah, wie sich etwas hastig in die Dunkelheit zurückzog.
    Sie erstarrte, und die schwankende Treppe war vergessen.
    »Nimm dir Zeit«, sagte Solly.
    Sie war sicher, dass sie etwas gesehen hatte.
    Ein Stück Dunkelheit, das das Haus heimgesucht hatte. Ein Stück, das sich aufgelöst und wieder zurückgezogen hatte.
    Als sie oben angekommen war, schwenkte sie den Lichtstrahl in der Küche, blickte in die Zimmer und ging dann in die Mitte der Rotunde, um noch einmal die obere Etage abzuleuchten.
    »Stimmt was nicht?«, fragte Solly.
    Sie sah überall Schatten. »Nichts«, antwortete sie.
    Er wusste es besser, doch er bohrte nicht weiter, sondern folgte nur ihren Blicken. »Ich nehme nicht an, du hast etwas gefunden?«
    Sie hielt ihm den Schuh entgegen. »Hast du so etwas schon einmal gesehen?«
    Er leuchtete darauf. »Sicher«, sagte er. »Ein Haftschuh.«
    »Ein was?«
    »Ein Haftschuh.« Er nahm ihn aus ihrer Hand und drückte ihn gegen eine Wand. Er blieb einen Augenblick lang kleben, bevor er herunterfiel. »Na ja, er ist ziemlich verschlissen«, sagte er. »Aber man benutzt sie an Bord von Raumschiffen, im freien Fall.«
    »… an Bord von Raumschiffen.« Sie hielt ihn gegen ihren eigenen Schuh. Zu klein. Also konnte er nicht Emily gehört haben.
    »Was denkst du, Kim?«
    »Ich frage mich, wessen Schuh es war.«
     
    Der Wind war verebbt und die Wolkendecke an einigen Stellen aufgerissen. Draußen über dem See schien einer der beiden Monde.
    Sie folgten ihrer Spur den Hügel hinunter und unter die Bäume, bis sie die Stelle fanden, wo sie sich verlaufen hatten und vom Fluss abgebogen waren. Ihre Spuren waren sauber und frisch und tief, und sie bewegten sich mit entschlossenen, eiligen Schritten auf den Flieger zu, angetrieben von dem Wissen, dass es dort endlich wieder warm und trocken sein würde.
    Doch plötzlich hörten die Spuren auf.
    Mitten auf dem Weg. An einer Stelle waren sie deutlich zu sehen, und im nächsten Augenblick waren sie einfach verschwunden, als hätten sie nie existiert.
    »Der Wind muss den Schnee verweht haben«, sagte Solly.
    An dieser Stelle waren die Abdrücke deutlich; seine groß, ihre klein, und dort waren sie weg. Sie schalteten ihre Scheinwerfer ein. Es war unglaublich. Fast, als wären sie beide vorhin mitten aus dem Nichts materialisiert. Solly mit dem linken Fuß, sie mit dem rechten. Dahinter war nichts außer jungfräulichem Schnee.
    Sie blickte zurück, leuchtete über die Bäume und den Pfad. Nichts bewegte sich. »Ja«, sagte sie. »Wird wohl der Wind gewesen sein.«
    Sie eilten weiter, in der festen Erwartung, dass die Spuren jeden Augenblick wieder sichtbar werden mussten. Ihre Scheinwerferkegel tanzten vor ihnen. Keiner von beiden sprach jetzt noch, und Solly übernahm Kims Angewohnheit, in regelmäßigen Abständen nach hinten zu blicken.
    »Ich erinnere mich an diese Eiche hier«, sagte sie. »Wir sind direkt hier vorbeigekommen. Ich bin mir absolut sicher.« Doch der Schnee war tief und sah unberührt aus.
    Schließlich gabelte sich der Weg, und sie zögerten unsicher.
    »Wo entlang?«, fragte sie.
    »Der See ist links von uns«, flüsterte Solly. »Wir bleiben in der Nähe des Wassers.« Solly wirkte beunruhigt, und diese Erkenntnis jagte ihr definitiv einen gehörigen Schrecken ein.
    Wie unter den gegebenen Umständen nicht anders zu erwarten, verirrten sie sich. Einmal blieb Kim mit der Jacke an einem Dornenstrauch hängen und zerriss den Stoff, als sie sich wieder befreite.
    Schließlich kamen sie bei der Lichtung mit der eingestürzten Hütte und der Bank aus dem Wald, und die Fußspuren waren wieder da. Sie hätte eigentlich froh sein müssen, sie wieder zu sehen, doch sie setzten genauso unvermittelt ein, wie sie aufgehört hatten. Mitten auf der Lichtung, und nichts war auf der anderen Seite außer unberührtem, jungfräulichem Schnee. Als wären sie auf dem Hinweg aus der Welt gestiegen. Der Anblick ließ sie erschauern.
    »Geh weiter«, sagte Solly.
    Der Teil des Bewusstseins, der sich der Furcht entzieht und emotionale Ausbrüche mit Distanz betrachtet, suggerierte ihr, dass sie sich in einem VR-Szenario befand, und dass das, was sie

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