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Spuren im Nichts

Spuren im Nichts

Titel: Spuren im Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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gerade erlebte, in der realen Welt nicht geschehen konnte.
    Oder dass Sheyel die ganze Zeit über Recht gehabt hatte.
    Sie kamen unter den Bäumen hervor und erblickten den See und den Flieger. Kim kämpfte gegen den Drang zu rennen an. Sie marschierten über den Strand, doch ihre Bewegungen waren zerfahren und abgehackt.
    Der Wald hinter ihnen lag dunkel und still. Weit entfernt im Osten bewegte sich eine Lichterkette über das Land. Der Zug von Terminal Island auf dem Weg nach Eagle Point. Solly betätigte die Fernbedienung, und die Lichter des Fliegers gingen an. Die Luke glitt auf, und die Leiter senkte sich herab.
    Draußen auf dem Wasser schimmerte etwas. Eine Reflexion. Eine Lampe. Irgendetwas.
    Kim überzeugte sich zuerst, dass die Rücksitzbank leer war, bevor sie einstieg. Solly folgte ihr und schloss die Luke. Normalerweise wäre ihr erster Gedanke gewesen, die nassen Schuhe und Socken auszuziehen. Doch stattdessen saß sie regungslos, während Solly den Zündschlüssel ins Schloss steckte und den Startknopf betätigte.
    »Solomon«, meldete sich die KI. »Welches Ziel wünschen Sie?«
    »Nach oben«, antwortete Solly. »Einfach nur nach oben.«

 
5
     
     
    Diejenigen unter uns, die zur Spitze großer Organisationen aufsteigen, die leben, um andere zuführen und Macht zu wiegen, leiden ausnahmslos unter schwachem Selbstbewusstsein und dem Bedürfnis, sich immer wieder zu beweisen. Dies erklärt auch, warum sie so schnell zu verängstigen und so leicht zu manipulieren sind. Und warum sie so gefährlich sind.
    - SHEYEL TOLLIVER, Notebooks, 482
     
    »Du warst wirklich nicht aufgeregt?«
    Solly schloss die Augen und schüttelte traurig den Kopf, als könnte er die grenzenlose Ignoranz nicht begreifen. »Nein, ich war wirklich nicht aufgeregt. Mir war einfach nur kalt!«
    Sie saßen im Dean’s Top of the World, dem Restaurant des Hotels, bei Kaffee, Salat und frischem Obst. Die Berge waren klar und deutlich zu sehen in der kalten Morgensonne, und die Hochwege waren bereits überfüllt von Urlaubern. Ein Zug hatte soeben den Mount White umrundet und glitt über den Bäumen heran.
    »Also gut«, sagte sie. »Mir auch.«
    Bei Tageslicht war es kaum vorstellbar, dass sie solche Angst empfunden hatte. Sie hatte etwas über sich selbst herausgefunden, das sie lieber nicht gewusst hätte, nicht wissen wollte: Sie war ein Feigling.
    »Das mit den Spuren war allerdings richtig unheimlich«, sagte er.
    »Ja. War es.«
    Er runzelte die Stirn und tat die Sache mit einer Handbewegung ab. »Wohin willst du den Kane hängen?«, fragte er.
    »Ich weiß es noch nicht. Er ist ein wenig zu düster für meinen Geschmack.«
    »Warum hast du dann keinen anderen gekauft?«
    »Hätte ich tun sollen«, stimmte sie ihm zu.
    Sie ließen sich fast eine Stunde Zeit für ihr Frühstück. Kims Gedanken schweiften ab, während sie den Ausblick auf Berge und Schluchten genossen, der sich durch das große Fenster bot. Sie spürte Erleichterung, dass sie ihre Verpflichtung gegenüber Sheyel eingelöst hatte. Wir sind rausgeflogen und haben die Wälder in Augenschein genommen, würde sie ihm mit reinem Gewissen sagen, und wir haben nichts Unvorhergesehenes finden können. Absolut überhaupt nichts. Er würde natürlich enttäuscht sein. Aber vielleicht war eine Dosis Realität genau das, was Sheyel brauchte.
    Solly erzählte, dass er nie Skilaufen gelernt hatte, und fragte, ob sie fahren könnte. Sie konnte nicht und war überrascht, als er vorschlug, hierher zurückzukehren und es zu lernen, sobald ihre Dienstpläne es gestatteten. »Draußen bei den Pisten gibt es eine Schule, wo wir Unterricht nehmen könnten«, sagte er.
    Sie hielt sich für zu alt, um noch damit anzufangen. Andererseits … »Ich würde es auf einen Versuch ankommen lassen, wenn du mitmachst.«
    Er belohnte sie mit einem Lächeln.
    Wieder im Hotel begann Solly zu packen, während Kim beschloss, zuerst den Anruf hinter sich zu bringen. Sie tippte Sheyels Nummer ein und setzte sich auf das Sofa. Die KI antwortete, erkundigte sich, wer sie war und stellte sie dann unverzüglich durch.
    »Kim.« Er klang erfreut, ihre Stimme zu hören. »Schön, dass Sie sich so schnell gemeldet haben.« Er beließ es bei reiner Audioübertragung.
    »Ich bin in Eagle Point«, sagte sie.
    »Sie wollen also in das Tal?«, fragte er.
    »Ich war bereits dort. Gestern Nacht.«
    »Wunderbar. Ach so, fast hätte ich es vergessen. Bitte verzeihen Sie, wenn die Bildübertragung ausgeschaltet bleibt.

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