Spuren im Nichts
Ich bin nicht angezogen.«
»Kein Problem, Sheyel.«
»Und? Haben Sie etwas gesehen?«
»Was zum Beispiel?«
»Irgendetwas. Irgendetwas Ungewöhnliches.«
Mit einem Mal konnte sie sich nicht mehr überwinden, ihn zu belügen. »Ich bin nicht sicher«, sagte sie und verwarf ihre geplante Antwort. Sie beschrieb die verschwundenen Fußspuren. Und fast hätte sie ihm auch von den Schatten erzählt, die sich hinter Solly bewegt hatten, doch das klang geradewegs, als hätte sie Paranoia, deswegen unterließ sie es.
»Ja, ja«, sagte er. »Das sind die Dinge, die dort draußen regelmäßig passieren. Oder passiert sind, als noch Menschen in der Gegend gewohnt haben.« Er empfahl ihr ein paar Bücher über dieses Thema und erkundigte sich dann, ob sie immer noch überzeugt sei, dass dort draußen nichts Merkwürdiges vor sich ginge.
»Ich denke, es war der Wind, Sheyel.«
»Das halten Sie tatsächlich für möglich? Nun ja, macht nichts. Was werden Sie als Nächstes tun?«
»Was sollte ich tun?« Sie wartete auf seine Antwort, doch stattdessen zog sich das Schweigen in die Länge. »Aber vielleicht können Sie etwas für mich tun.«
»Wenn es in meiner Macht steht?«
»Glauben Sie, sie könnten Yoshis Schuhgröße herausfinden?«
Sie wartete, während er darüber nachdachte. »Das wird nicht einfach werden«, sagte er nach einer Weile. »Sie ist schon so lange weg. Ich glaube nicht, dass wir ihre Schuhe aufbewahrt haben.«
»War sie ein Klon?«
»Ja. O ja, jetzt verstehe ich, was Sie meinen. Natürlich.«
»Wenn Sie etwas wissen, hinterlassen Sie die Information bei Shep.«
»Sehr gut. Ich werde mich noch heute darum kümmern.« Solly kam in das Zimmer zurück, bereit zur Abreise. »Dürfte ich fragen warum?«
»Das erzähle ich Ihnen, wenn etwas dabei herauskommt, Sheyel.«
Kim konnte nicht widerstehen; sie schlug vor, dass sie auf dem Rückweg noch einmal über das Severin Valley flogen. Solly hatte keine Einwände, und so folgten sie einmal mehr dem Flusslauf nach Süden, diesmal im hellen Tageslicht. Es war ein strahlender, wolkenloser Morgen und bereits jetzt für die Jahreszeit viel zu warm. Sie beobachteten einen Zug, der südwestlich der Stadt aus dem Culbertson Tunnel kam. Mit sechsundzwanzig Kilometern war der Culbertson der längste Maglev-Tunnel des gesamten Planeten.
Sie flogen in geringer Höhe, sodass sie die Landschaft beobachten konnten, während sie über Felsschluchten und durch tiefe Einschnitte glitten. Der Schnee der vorangegangenen Nacht hatte alles in seine weiße Decke gehüllt. Kurz vor dem Damm sahen sie ein paar Hirsche, die gemächlich über eine Lichtung wanderten. Auf Kims Bitten hin wendete Solly den Starlight, doch die Tiere waren verschwunden.
Über dem See gingen sie tiefer. Unmittelbar vor dem Ufer von Cabry’s Beach bemerkten sie ein Floß, Überbleibsel aus den Tagen, als der Severin noch voller Schwimmer gewesen war. Es schaukelte sanft in den Wellen, als wartete es darauf, dass jemand zurückkehrte.
Sie steuerten Tripleys Villa an und verbrachten einige Minuten damit, sie aus der Luft zu inspizieren. Bei Tag sah das Gebäude noch trostloser aus, wenn das überhaupt möglich war.
Die umgebende Landschaft war einsam und wunderschön, geschmückt in ihrem frischen Kleid aus Schnee, den Tannen und Eichen, den aufragenden Gipfeln. Der Lake Remorse glitzerte im Sonnenlicht. Die Ruinen der Häuser bildeten eine groteske Mischung aus Vergänglichkeit und Majestät. Kim fragte sich nicht zum ersten Mal, was so unwiderstehlich war an einer verlassenen Ödnis.
»Genug gesehen?«, fragte Solly, der keine Lust mehr hatte, länger im Kreis zu fliegen.
Sie nickte, und er befahl der KI, sie nach Seabright zurückzubringen.
In den ersten Minuten nach ihrem Aufbruch schwiegen beide. Dann griff Solly nach hinten, brachte Kaffee zum Vorschein und schenkte zwei Tassen aus, von denen er eine ihr gab. »Wie sind wir eigentlich zu der Ehre mit der Star Queen gekommen?«, fragte er.
Ihr Verstand war unterdessen wieder mit den verschwundenen Fußspuren beschäftigt, mit dem Versuch, eine Erklärung zu konstruieren, irgendetwas, das möglich war. Gebündelter Wind. Einheimische, die ihnen einen Streich gespielt hatten. Sollys Frage wurde ihr nicht sofort bewusst, und er musste sie wiederholen. »Matt hat überall Freunde«, sagte sie. »Eine ganze Reihe VIPs werden dort sein, und er hielt es für ein angemessenes Ereignis, um die Werbetrommel für uns zu rühren.« Der alte Liner
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