Spuren im Nichts
unterstützt hatte.
Benton Tripley sah ganz genauso aus wie sein Vater, nur, dass er glattrasiert war. Er war groß, gebräunt, mit braunem, lockigem Haar, das er nach hinten gebürstet trug, und er hatte ein freundliches Lächeln, dem sie nicht eine Minute lang glaubte. Und darin, so schlussfolgerte sie, lag ein weiterer Unterschied: Kile hatte ehrlich ausgesehen. In Bentons Gesichtsausdruck lag etwas, das ihr Misstrauen erweckte.
Shepard zeigte ihr eine Reihe von Aufnahmen. Sie sah ihn händeschüttelnd mit anderen Industriellen und mit Politikern, auf anderen Bildern war er umgeben von Frauen an den verschiedensten Urlaubsorten, dann wieder verteidigte er sich vor Gericht selbst gegen Vorwürfe wegen unfairer Geschäftspraktiken. Er schien überall zu sein. TRIPLEY BEGRÜSST DIE DELEGATION VON BARRINGER ISLAND. TRIPLEY BEI GESPRÄCHEN MIT SEINEM NEW YORKER KOLLEGEN KIP ESTERHAUS. TRIPLEY FÜHRT STUDENTENGRUPPE IN SKY HARBOUR HERUM.
Aber dann sah sie etwas, das sie vielleicht benutzen konnte. In Tripleys Büro standen drei Modelle von Raumschiffen. Drei.
Womit sie genau den Hebel gefunden hatte, den sie brauchte.
Shepard meldete sich zurück, als der Flieger sich Korbee Island näherte. »Nachricht von Sheyel Tolliver«, berichtete die KI.
»Spiel sie ab.«
Sheyels Stimme erklang und nannte Yoshis Schuhgröße. »Sonst noch etwas, Kim?«
Sie blickte Solly an und sagte ihm leise, dass die Größe genau zu dem Schuh passte, den sie in der Ruine gefunden hatten. »Ja. Setz schon einmal Kaffee auf.«
»Trotzdem, das heißt noch gar nichts«, sagte Solly. »Wie viele Frauen laufen mit dieser Schuhgröße herum?«
»Ziemlich viele«, gestand Kim. »Aber wie viele davon hängen deiner Meinung nach in Raumschiffen herum?«
6
Wir sind nicht allein.
Irgendwo, an Orten so fern, dass wir sie uns nicht einmal vorstellen können, erhellen Städte die Dunkelheit, und Türme erheben sich über die zerklüftete Küste. Wer in diesen fernen Städten lebt, wer aus diesen fernen Türmen blickt, das wissen wir heute noch nicht, und wir können es nicht einmal erahnen. Doch eines Tages werden wir über ihren Himmeln ankommen, und wir werden unsere Brüder und Schwestern begrüßen.
- SHIM PADWA, Die fernen Türme, 321
»Das sollten wir wirklich häufiger tun«, sagte Matt. »Die Initiative übernehmen. Preise überreichen. Es ist ein leichter und angenehmer Weg, um neue Freunde des Instituts zu finden.«
Betuchte Freunde. Die Leitung hatte entschieden, dass der Preis Morton Cable Award heißen sollte, nach dem Mann, der die bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet des transdimensionalen Raumflugs geleistet hatte. Glücklicherweise hatte Cable Verbindungen zum Institut gehabt.
Kim war sofort einverstanden (›Großartige Idee, Matt‹) und schlug vor, dass sie den Preis im Hinblick auf Benton Tripleys Vorliebe für dekorative Raumschiffsmodelle in dieser Form statt in Form einer Plakette überreichen sollten. Matt fand die Idee gut und überließ die Einzelheiten ihr.
Früh am Freitagmorgen wurde sie von einem Taxi abgeholt. Das Meer war noch dunstig, als der Flieger in einen kristallklaren Himmel stieg und Kurs auf das Festland nahm. Auf Greenway gab es nur relativ wenig private Fahrzeuge, weil Taxis billig, in ausgezeichnetem Zustand und reichlich vorhanden waren. Kim bemerkte keinen Verkehr auf dem Meer, mit Ausnahme einer einzelnen Jacht auf Westkurs. Ein paar andere Taxis waren in der Luft und kreisten ziellos über den Inseln, während sie auf einen Ruf warteten.
Matt hatte es so arrangiert, dass Averill Hopkin die Präsentation für Tripley übernahm. Hopkin war eine preisgekrönte Autorität auf dem Gebiet der Hyperraum-Antriebstechnologien. Er war bereits in Sky Harbour und erledigte einen Auftrag als Berater für Interstellar. Somit passte alles wunderbar zusammen. Hopkin war dunkelhäutig und dunkeläugig, ein Mann ohne jede Substanz, dachte Kim. Sein Leben schien sich nur um die Physik zu drehen. Sie bezweifelte, dass er wusste, wie man sich amüsierte.
Das Taxi setzte sie am Terminal ab. Fünfzehn Minuten später war sie im Seahawk, einer Maglev, die in südlicher Richtung über die Parklandschaften Seabrights dahinglitt. Sie passierte das Institut zur Rechten und die Strände zur Linken. Nachdem sie die Stadt hinter sich gelassen hatten, beschleunigte die Maglev unmerklich bis auf sechshundert Stundenkilometer. Hin und wieder verlief die Schiene über offenem Wasser, und der Seahawk zog
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