Spuren im Nichts
Dorf genommen und damit einen Berg in die Luft gesprengt haben sollen. Oder wie sie es überhaupt hätten anstellen soll. Wenn man eine der Zellen aus ihrer magnetischen Einschließungskammer nimmt, explodiert sie augenblicklich.« Er fixierte sie mit einem Blick, der keine Wut, aber tiefes Misstrauen verriet. Und vielleicht Enttäuschung. »Was glauben Sie denn, was passiert ist, Kim?«
Sie blickte in eine unbestimmte Ferne. »Ich weiß nicht, was ich denken soll. Die Explosion trägt alle Merkmale von Antimaterie …«
»Es gibt keine Beweise, die diese Theorie stützen!«
»Allein die Wucht der Explosion ist ein Beweis.«
Er schüttelte den Kopf und ließ sie erkennen, dass er das Vertrauen in ihren gesunden Menschenverstand verloren hatte. Sie hatte eigentlich noch darauf hinweisen wollen, dass die einzigen Menschen in der Umgebung, die Zugang zu Antimaterie gehabt hatten, Markis Kane und Kile Tripley gewesen waren, doch sie brachte ihn nur unnötig gegen sich auf. Außerdem wusste sie nicht mit absoluter Bestimmtheit, ob nicht irgendwie doch noch eine dritte Person im Spiel gewesen war.
»Damit ich das richtig verstehe«, sagte Tripley, »Sie glauben also, dass mein Vater und Kane irgendein Experiment durchgeführt haben. Und dass das Experiment schief gelaufen ist. Oder dass sie in einen Diebstahl verwickelt waren.«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Die Schlussfolgerung ist deutlich genug.« Seine Blicke durchbohrten sie. »Aber Sie irren sich. So war es nicht. Mein Vater war kein experimenteller Physiker. Er war Ingenieur. Er hätte sich nicht auf so etwas eingelassen. Er hätte es gar nicht gekonnt, selbst wenn er gewollt hätte.«
»Und was ist mit Markis Kane?«
»Kane war Kommandant eines Raumschiffs!« Er hatte sich in seinen Sitz zurückgelehnt. »Nein. Das können Sie alles vergessen. Sehen Sie, ich weiß genauso wenig wie jeder andere, was sich in Severin ereignet hat. Aber ich weiß verdammt genau, dass es nicht mein Vater war, der mit einer Treibstoffzelle herumgespielt hat. Wahrscheinlich war es ein Meteorit. Ganz einfach.«
»Ben«, entgegnete sie leise, »haben Sie vielleicht eine Idee, warum Yoshi Amara sich zum Zeitpunkt der Explosion in der Villa ihres Vaters aufgehalten hat?«
Sein Blick wurde noch schärfer. »Wie kommen Sie auf diesen Gedanken? Diese Anschuldigung ist mir ganz neu; davon habe ich noch nie gehört.«
Sie war zu weit gegangen. Was sollte sie ihm nun sagen? Dass sie einen Schuh gefunden hatte, der Yoshis Größe besaß? »Verschiedene Indizien weisen darauf hin«, sagte sie und preschte mutig vor.
Tripley sah aus wie ein Mann, der von Stechmücken belästigt wurde. »Dürfte ich fragen, welcher Art diese Indizien sind?«
»Kleidungsstücke. Sie gehörten wahrscheinlich ihr. Aber das lässt sich natürlich nicht mehr mit Sicherheit sagen.«
»Ich verstehe.« Er sah hinüber zur Hunter. »Es klingt jedenfalls nicht besonders überzeugend, Kim. Ich hoffe doch, Sie wollen die ganze Sache nicht wieder von vorn aufrollen. Was auch immer geschehen sein mag, die Betroffenen sind tot.«
Sie nickte. »Nicht alle Betroffenen. Einige fragen sich noch immer, was aus ihren Verwandten geworden ist.«
Er klatschte in die Hände. »Natürlich!«, rief er. »Das ist es, weshalb Sie Emily so ähnlich sehen!«
»Ja.«
»Sind Sie ihre Schwester? Oder die Tochter?«
»Die Schwester.«
»Es tut mir Leid«, sagte er. »Es tut mir wirklich sehr Leid. Dann werden Sie wohl sicherlich wissen, wie ich mich fühle. Doch ich denke, es ist ein Verlust, den wir beide akzeptieren müssen, ob wir wollen oder nicht.« Er war von seinem Platz aufgestanden und kam nun um den Schreibtisch herum, um sie zur Tür zu begleiten. »Lassen Sie los, Kim. Ich weiß genauso wenig wie Sie, was ihnen zugestoßen ist, doch ich habe längst damit abgeschlossen. Ich schlage vor, Sie tun das Gleiche.«
Worldwide Interior war spezialisiert auf die Innenausstattung von Privatjachten, Vorstandsfahrzeugen und des gesamten Spektrums von Schiffen, die Repräsentationszwecken genügen mussten. Die Company verkündete stolz, dass sie es war, die jedes Schiff mit dem entsprechenden Ambiente versah, nachdem Interstellar die Elektronik eingebaut hatte. Kim wurde von Jacob Isaacs herumgeführt, dem Manager für Öffentlichkeitsarbeit. Isaacs war in seinem vierten Viertel, wie man so schön sagte, über einhundertfünfzig Jahre alt. Er hatte angefangen, grau zu werden, und sein Gang wirkte nicht mehr energisch. »Sie
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