Spuren im Nichts
nichts, was darauf hingedeutet hätte, dass sie nicht miteinander auskamen, auch wenn ihre Persönlichkeiten so vollkommen unterschiedlich waren. Kane war kühl, zurückhaltend, skeptisch und methodisch. Tripley im Gegensatz dazu war ein Mensch, der dazu neigte, seinen Emotionen zu folgen. Er wollte an die Existenz außerirdischen Lebens glauben. Doch seine Instinkte waren gut, und auch er war im Allgemeinen rational, wenn man von seiner Besessenheit absah. Er besaß seine eigene Sicht der Dinge und gestattete nicht, dass die Realität daran etwas änderte. Hätte er sich für Religion interessiert, hätte man ihn gewiss unter jenen wieder gefunden, die argumentierten, dass es einen Gott und einen Himmel geben musste, weil das ganze Leben doch sonst wohl keinen Sinn ergab. Kims allgemeiner Eindruck war, dass Tripley niemals ganz erwachsen geworden war. Andererseits war er frei von jeder Böswilligkeit. Sie verwarf die Möglichkeit, dass Tripley Yoshi ermordet haben könnte. Oder irgendjemand anderen.
Sie blickte in seine Akte. Er hatte neunundzwanzig Missionen auf der Suche nach seinem heiligen Gral abgeschlossen, war insgesamt nahezu fünfundzwanzig Jahre im All gewesen. Das qualifizierte ihn als einen Fanatiker, einen Captain Ahab. Kein Wunder, dass das Motto der Hunter BEHARRLICHKEIT lautete.
Später gab Kane gegenüber Emily eine realistischere Einschätzung zu: »Wir müssten hundert von diesen Schiffen haben«, sagte er. »Oder tausend. Unterwegs in jede denkbare Richtung. Dann hätten wir vielleicht eine Chance.«
Auch Emily hatte erkannt, wie gering die Aussichten waren.
Es war das erste Mal, dass Kim ihre Schwester privat mit anderen Menschen zu sehen bekam. Die Reise dauerte bereits drei Tage, als sie endlich die Brücke betrat und Kim sie sah. Kane war bereits dort und absolvierte seine morgendliche Routine. Sie schlenderte hinter ihm heran und drückte seine Schulter. Kane drehte sich zu ihr um, und Kim begriff, dass die Anwesenheit des Aufzeichnungsgerätes für beide ein Hemmnis darstellte.
Solly blickte sie an, doch er sagte nichts.
Emily nahm elegant auf dem rechten Sitz Platz. Sie trug den gleichen charakteristischen Overall wie alle anderen, doch er stand am Hals gerade weit genug offen, um die Ansätze ihrer Brüste zur Schau zu stellen.
Kane berichtete, dass alles nach Plan verlief. Es war eine unverfängliche Bemerkung, doch sein Tonfall war um eine Oktave gesunken. »Sie sind ein Liebespaar«, sagte Kim mehr zu sich selbst als zu Solly.
Selbstverständlich zeigten sie es nicht offen. Im Gegenteil. Kane und Emily sahen sich mit der Art von erzwungener Gleichmut an, die nur Menschen zustande bringen, die einander lieben und sich zugleich bemühen, diese Tatsache nach außen hin zu verbergen.
Yoshi war gerade aus dem Teenageralter heraus. Ihre Abschlüsse waren vielversprechend, doch auch sie jagte diesem Traum hinterher. Wann immer sich eine Gelegenheit ergab, nahm Kane sie beiseite und dämpfte ihren Optimismus, indem er sie an die vielen vorangegangenen Fehlschläge erinnerte. Dass es einfach aussah, wenn man Hunderte von Klasse-G-Sonnen in einem kleinen Bereich vor sich hatte, und dass es trotzdem keinerlei Garantie gab, dass sie den richtigen fanden – falls es ihn überhaupt gab. Keinerlei Garantie dafür, dass es überhaupt irgendwo außer auf der Erde zur Entwicklung von Leben gekommen war. Sieh der Möglichkeit ins Auge, riet er ihr. »Vielleicht sind wir tatsächlich allein.«
»Das kann einfach nicht sein!«, widersprach sie ihm. »Es ist ein grundlegendes wissenschaftliches Prinzip, dass nichts im Universum einzigartig ist.«
Kim fiel auf, dass die Besatzung der Hunter nie davon redete, eine primitive Amöbe zu entdecken. Nach all den Unterhaltungen zu urteilen, wie man sich bei einem Erstkontakt verhalten würde, nach welcher Technologie man Ausschau halten sollte und welche Gefahren möglicherweise von einer extrem weit fortgeschrittenen intelligenten Spezies ausgingen, wurde Kim bewusst, dass die Besatzung der Hunter die Entdeckung von etwas so Einfachem wie außerirdischem Gras, das, wonach alle Welt suchte, als ein entschieden enttäuschendes Ergebnis der Mission betrachten würde. Allerwenigstens, so schienen alle zu hoffen, wollten sie irgendwo ein paar Ruinen entdecken, Beweise dafür, dass es außer dem menschlichen auch noch anderes intelligentes Leben gegeben hatte.
»Solange wir nicht zeigen können, dass es sich an einem anderen Ort, auf einer anderen Welt
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