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Spuren in der Wüste

Spuren in der Wüste

Titel: Spuren in der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Cordes
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große blumenreiche Vorgärten, alle Fenster blitzten und
    blinkten, und jedes Haus, jedes Geschäft sah so aus, als sei es ge-
    rade erst frisch gestrichen worden.
    Ein hübscher Ort, ein wohltuender Ort. Die Frauen gingen zu
    Fuß einkaufen, die Männer, sofern sie nicht auf den Feldern waren,
    schaukelten in Rohrstühlen auf der Veranda des einzigen kleinen
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    Hotels, das ›Friend's Home‹ hieß, und tranken ihren Frühschop-
    pen.
    Werner, sosehr es ihn drängte, zu den Braunbachs zu gehen, so
    sehr es ihn drängte, endlich mehr, das heißt, überhaupt irgend et-
    was über Irene zu erfahren, kehrte dennoch auf ein Bier in das Ho-
    tel ein. Denn als Journalist wußte er, daß bei einem Bier und mit
    Hilfe eines anständigen Handgeldes oft mehr über einen Ort, eine
    Familie, über ein Geschehnis zu erfahren war, als man auf andere
    Weise herausbekam.
    Der alte Mann namens Eddy, der hinter der Bar stand, erkannte
    in Werner sofort den Berliner, und sein Gesicht zersprang in dop-
    pelt so viele Falten wie zuvor, sein Gebiß klapperte ein bißchen, als er sagte: »Menschenskind, ick mach' ins Hemd. Wat hat Sie denn
    hierher verschlagen?«
    »Ich will nur Freunde besuchen.«
    »Also, aus Hessen, da kommen ja manchmal die Verwandten an-
    gereist, und da staunen die dann immer und sind ganz enttäuscht,
    weil hier beinahe alles so ist wie zu Hause. Aber weiß der Himmel,
    aus Berlin, nee, da is noch nie jemand hiergewesen!«
    »Sie stammen aus Berlin?«
    »Na wat denn, Jungchen, direktemang aus Wedding. Bin neun-
    zehnhundertundvier meinen Eltern ausgebüchst. Na, die haben
    mich jar nich mal vermißt. Wir waren neune zu Hause, müssen Sie
    wissen, und da fehlte immer einer. Ick jehöre zu den Gründern von
    Friend's Farm. Ja, Jungchen, ich war hier sogar mal Bürgermeister.
    Aber die Weiber und das Spiel, da bin ich ein paarmal in New York
    ausgerutscht und hab' meinen Eisenwarenhandel hier verkaufen
    müssen. Und, na ja, und jetzt mach' ick eben die Bar. Für'n alten
    Mann wie mich mang lohnend, krieg' ordentliches Jeld und immer
    neue Jesichter vor die Nase – aber wen wollen Sie denn hier be-
    suchen?«
    »Die Braunbachs.«
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    »Anständige Leute, 'n bißchen komisch«, sagte Eddy.
    »Es sind Freunde von Freunden«, sagte Werner. »Ich soll Grüße
    ausrichten, ich kenne sie noch nicht.«
    »Sind die letzten, die zugezogen sind«, sagte Eddy, »muß so um
    die zehn Jahre her sein. Der Hans Braunbach hat das alte Haus
    vom Körbel gekauft und eine Scheune angebaut, und fleißig sind
    sie alle drei, haben eine Tochter, müssen Sie wissen. Na ja, und
    heute bezieht ganz Friend's Farm die tagesfrischen Eier von ihm.
    Aber verschlossen ist er, der Hans. Meinen Sie, der täte jemals hier ein Bier trinken? Nee, der sagt die Tageszeit, und damit hat es sich.
    Und wat seine Frau ist, die rennt regelmäßig in die Kirche, für mei-
    nen Geschmack zu oft. Aber Sie sind wohl wegen det Mädchen
    hier? Wegen der Doris, wat?«
    »Ja, wegen Doris«, sagte Werner und spürte sein Herz wie wild
    klopfen. Er dachte, vielleicht ist Irene Doris, oder Doris Irene?
    »Bildschön ist die«, sagte Eddy, »da können Sie jeden fragen, und
    jeder wundert sich, warum die noch keinen Mann hat. Aber wat die
    Eltern sind, die lassen det arme Ding ja nie aus den Augen. Meinen
    Sie, die dürfte auch bloß mal zum Samstagabendtanz kommen?
    Oder drüben ins Kino gehen? Nee, da sind Sie schiefgewickelt. Na,
    dann mal viel Glück bei det Mädchen«, und Eddy zwinkerte Wer-
    ner verschwörerisch zu. »Nur 'ne Woche oder so müssen Sie sich
    noch gedulden, die Braunbachs sind nämlich auf Achse.«
    »Die ganze Familie?«
    »Na klar, die lassen det Mädchen doch nicht zurück. Mit unse-
    rem Pfarrer sind die unterwegs, 'ne Pilgerreise oder so was. Lourdes, glaube ich. Irgend so was in Frankreich.«
    »Verdammt«, murmelte Werner.
    »Na, Jungchen, Jeduld is auch 'ne Tugend. Sie können ja hier im
    Hotel wohnen. Potter, unser Koch, der ist meilenweit für seine
    T-Bone-Steaks berühmt.«
    Und Werner blieb.
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    rene kannte Köln nur aus den Briefen der Schwester ihrer Mut-
    Iter, die einmal im Jahr zu Weihnachten kamen.
    Das Briefpapier war stets mit zierlichen handgemalten Weih-
    nachtssternen und -zweigen geschmückt, und die Tante sandte im-
    mer eine Köstlichkeit, die sie zu den Festtagen selbst gebacken hat-
    te; mal war es ein Christstollen, dann waren es Zimtsterne oder
    Vanillewaffeln, oder kleine Handarbeiten, die sie für ihre

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