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Spuren in der Wüste

Spuren in der Wüste

Titel: Spuren in der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Cordes
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Nichten
    angefertigt hatte. Zum Beispiel kirschrote Fäustlinge mit passendem
    Mützchen; das war in jenen Wintermonaten gewesen, als Irenes Va-
    ter als Hausverwalter Arbeit gefunden hatte, in Vermont, und sie,
    die Kinder, dort mit den vier Töchtern der Herrschaft Skifahren ler-
    nen durften. Später schickte Tante Katharina dann mit Hohlsaum
    geschmückte feinste Taschentücher oder kleine, in zarte Seide ge-
    bundene Fotoalben.
    Zu Irenes Hochzeit sandte sie einen silbernen Ring mit einem
    ovalen Aquamarin, von dem sie schrieb, er habe ihr selbst einmal
    Glück gebracht, und nun solle er ihr, Irene, in ihrem neuen Leben
    an der Seite eines sicher aufrechten und braven Mannes Glück brin-
    gen.
    Die Tante drückte sich immer ein wenig altmodisch und um-
    ständlich aus, aber das lag wohl daran, daß sie das Englische nur
    von der Schule her beherrschte. Und das war schon lange her.
    Wie so vieles in den letzten sechs Jahren ihres Lebens, hatte Irene
    die Adresse dieser Tante auswendig gelernt. Schon bald nach ihrer
    Heirat hatte sie es nicht mehr über sich gebracht, dieser Tante mehr als kurze Festtagsgrüße zu senden, denn sie fürchtete, in ausführli-chen Briefen ihr Unglück zu verraten.
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    Das Haus, in dem ihre Tante wohnte, war nahe dem Zoo in Köln
    gelegen, und als Irene aus dem Taxi stieg, schaute sie an der um die Jahrhundertwende geschaffenen Fassade empor und dachte, daß
    man gewiß aus den Fenstern der oberen Stockwerke in den Tier-
    park schauen konnte.
    Die Tante wohnte im Erdgeschoß. Sie war eine kleine, zierliche
    Frau; das weiße Haar lag glatt um ihren schmalen Kopf, und sie
    trug über ihrem Kleid einen farbbespritzten Kittel.
    »Irene!« rief sie, noch ehe die junge Frau irgend etwas sagen
    konnte. »Ja, Mädchen, wie kommst du denn hierher?« Und sie lach-
    te und packte Irenes Rechte mit beiden Händen und zog sie in den
    Hausflur, der eigentlich eine Halle war, mit im Halbdunkel liegen-
    der Stuckdecke und weißen und schwarzen Marmorfliesen, und Ire-
    ne mußte an eine Tanzdiele denken, die sie einst, in ihrer glückli-
    chen Zeit, mit Jim besucht hatte – in New Orleans.
    »So eine Überraschung! Aber natürlich ist es eine Überraschung,
    denn ich habe so lange nichts mehr von euch gehört. Die Post ist
    auch nicht mehr das, was sie einmal war. Aber komm herein, liebes
    Kind. Und laß dich anschauen. Schön bist du. So schön wie unsere
    Mutter war. Bis du allein?«
    »Ja, Tante«, sagte Irene.
    »Macht nichts, Kind, macht überhaupt nichts. Ich weiß, heutzu-
    tage reist ihr jungen Frauen gern allein. Setz dich, ich mache uns
    gleich Kaffee. Oder trinkst du lieber Tee?«
    Und dann legte sie in einer raschen Bewegung die Hände an die
    Wangen und sagte: »Ja, so was, da rede ich die ganze Zeit deutsch
    mit dir und weiß doch gar nicht, ob du mich verstehst.«
    »Oh, ich verstehe dich gut«, sagte Irene und lachte. »Weißt du,
    unsere Eltern haben immer darauf geachtet, daß wir die deutsche
    Sprache nicht verlernten. Mutter war da sogar sehr streng. Zu Hau-
    se, beim Essen, oder wenn wir ›Mensch ärgere dich nicht‹ oder
    sonst was spielten, oder wenn wir in die Kirche gingen, da mußten
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    wir immer deutsch sprechen, damit wir auch nur ja nichts ver-
    gaßen.«
    »Und du sprichst es fabelhaft. Praktisch ohne Akzent. Aber nun
    setz dich und gib mir Mantel und Hut, und ich mache gleich Kaf-
    fee. Oder Tee?«
    »Mir ist beides recht«, sagte Irene und legte ihre dunkelblaue
    altmodische Verkleidung ab.
    »Was für herrliches Haar du hast, ganz wie unsere Mutter«, rief
    Katharina. »Kannst du länger bleiben? Dann will ich dich malen.
    Weißt du, ich arbeite an einem Porträt unserer Mutter, aber das ist
    schwer, sehr schwer, denn ich habe nur ein Schwarzweißfoto von
    ihr. Damals waren Farbfotos noch so teuer, daß wir sie uns nicht
    leisten konnten.«
    Sie lief aus dem kleinen Salon in die Küche, setzte Wasser für den
    Kaffee auf, kam mit einer Schale Gebäck zurück, deckte schönes
    altes Porzellan auf. »Rauch, wenn du magst«, sagte sie, »ich kann
    ein Fenster öffnen.« Aber Irene rauchte nicht, denn sie sah, daß nirgendwo ein Aschenbecher stand.
    Katharina legte den Malerkittel ab, und darunter kam ein einfa-
    ches hellgraues Kleid zum Vorschein, von vorzüglichem Schnitt,
    und erst jetzt wurde deutlich, wie geschmeidig und voller schlanker
    Kraft ihr Körper noch war.
    Sie kreuzte die schmalen Knie in grauen, seidig schimmernden
    Strümpfen, lehnte sich in dem

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