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Spuren in der Wüste

Spuren in der Wüste

Titel: Spuren in der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Cordes
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Aber dein Vater meint, du bist
    ja erwachsen genug, um zu wissen, was du tust.«
    »Ach Mutt, sag doch endlich.«
    »Ich muß es aufschreiben«, sagte sie, stand auf, trat zum Küchen-
    schrank und holte ihren Block, auf dem sie immer notierte, was im
    Haushalt fehlte und besorgt werden mußte.
    In großen sorgfältigen Druckbuchstaben malte sie Namen und
    Adresse auf, denn vielleicht würde sie die fremden Worte nicht
    richtig aussprechen.
    Irene Blessing
    Friend's Farm
    P.O.B. 337
    New Jersey
    Werner fiel seiner Mutter um den Hals. »Du bist doch die beste
    Mutt!« Dann packte er und fuhr zum Flughafen, und von dort aus
    rief er schon seine Redaktion in Hamburg an: »Habt ihr was für
    mich in New York oder New Jersey zu tun? Wenn nicht – ich hab'
    noch drei Wochen Urlaub zu kriegen, die brauch' ich sofort!«
    »Menschenskind«, sagte der Kollege, mit dem Werner das Büro
    teilte, wenn er in Hamburg in der dpa-Redaktion war, »du hast
    doch keine Kinder, du brauchst doch nicht schon jetzt Ferien zu
    machen; du bringst ja alles durcheinander.«
    »Tu mir einen Gefallen, Ludwig, und buch mir den erstbesten
    Flug nach New York. Du kriegst auch zwei Flaschen siebzehn Jahre
    alten Scotch dafür!«
    Und da konnte Ludwig nicht widerstehen; als Vater von fünf Kin-
    dern und mit einem Eigenheim auf Abzahlung nahm er gern die
    milden Spenden seiner unverheirateten Kollegen entgegen.
    Er buchte für Werner den nächsten Flug nach New York.
    »So ist das also«, sagte Inge. Klein und blaß hockte sie in einem
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    Sessel im Wohnzimmer ihrer gemeinsamen Wohnung in Hamburg.
    »Inge, es tut mir leid«, sagte Werner Holt. »Es ist einfach pas-
    siert.«
    »Natürlich.«
    »Ich hab's nicht gewollt, aber es ist nun einmal so gekommen.
    Wir beide waren ja gute Kumpel, aber –«
    »Hör schon auf!« Plötzlich funkelten ihre Augen wie Eissplitter.
    »Okay, es hat mit uns nur zwei Jahre gedauert, aber mach es jetzt
    nicht im nachhinein kaputt. Bis wann muß ich ausziehen?«
    »Du sollst überhaupt nicht ausziehen. Natürlich bleibst du hier
    wohnen, natürlich gehören die Möbel dir.«
    Inge stand auf und kam auf ihn zu.
    Sie hob die Hand und schlug ihm auf den Mund.
    »Inge!«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich brauche keine Almosen. Nicht von
    dir, und von niemandem sonst. Wenn du aus New York zurück-
    kommst, falls du zurückkommst, werde ich fort sein.« Und damit
    ließ sie ihn allein.
    Werner fühlte sich schäbig und gemein. Aber er hatte Inge nicht
    belügen können.
    Es gab für ihn nur noch Irene. Und er mußte sie wiederfinden.
    Egal, was er dafür verlor.
    Werner erlebte eine Überraschung, als er New York verließ und sich
    Friend's Farm in New Jersey näherte: Die Industriezentren und
    wohlhabenden Kleinstädte blieben plötzlich zurück: Statt auf einer
    der vielspurigen Autobahnen befand er sich bald auf einer Land-
    straße, die ebensogut durch die Lüneburger Heide hätte führen
    können; Birken und Pappeln begrenzten sie, und dahinter stand
    junges Korn auf sorgfältig abgegrenzten Feldern.
    Und Friend's Farm war nicht etwa ein Bauernhof, der Irene Bles-
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    sing oder ihrer Familie gehörte, sondern ein kleines Dorf.
    Hier gab es noch Fachwerkbauten, wie man sie in Hessen bewun-
    dern konnte; hier trugen viele Frauen, junge wie alte, noch die Fri-
    sur der Hessinnen: das straff mitten auf dem Kopf zu einem klei-
    nen Knoten geknüpfte Haar.
    Neugierige Blicke streiften Werner, als er seinen gemieteten Wa-
    gen mit dem New Yorker Kennzeichen auf der Mainstreet parkte,
    die hier allerdings Ockershausener Weg hieß.
    Er suchte und fand das Postamt, und ein junges frisches Mäd-
    chen mit winzigen Ringellöckchen, die sich um ihre Schläfen aus
    dem straffgekämmten Haar stahlen, hieß ihn freundlich willkom-
    men.
    »Ich suche Freunde«, sagte er, »eine Miß Blessing. Irene Blessing.«
    »Das tut mir leid«, sagte das junge Mädchen, »aber die finden Sie
    in ganz Friend's Farm nicht.«
    »Aber sie gab mir als Adresse diesen Ort an und ihre Postfach-
    nummer.«
    »Und die wäre?«
    »Dreidreisieben«, sagte Werner.
    »Das Postfach gehört den Braunbachs.«
    »Nun, das kann schon sein«, sagte Werner schnell. »Natürlich,
    Miß Blessing erwähnte den Namen. Wo wohnen die Braunbachs?«
    »Am Ende des Dorfes, gleich rechts. Sie können es nicht verfeh-
    len. Es ist das letzte Haus und trägt im Türbalken die Jahreszahl
    neunzehnhundertundvier.«
    Werner wanderte den Ockershausener Weg hinunter. Die Häuser
    hatten

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