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Spuren in der Wüste

Spuren in der Wüste

Titel: Spuren in der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Cordes
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King-David-Hotels mietete Werner am
    nächsten Morgen einen VW. Er besorgte sich über einen diensteif-
    rigen Portier eine Straßenkarte, wie sie vor sechs Jahren für die Umgebung von Jerusalem gegolten hatte.
    Als Proviant kaufte er zwei Flaschen Coca-Cola. Das waren die
    gleichen Vorbereitungen für den Ausflug in die Wüste, die damals
    die Fletchers getroffen hatten – spärlich genug, wie Werner fand.
    Werner und Irene frühstückten wieder auf der Terrasse, bevor sie
    losfuhren zu ihrem Ausflug in die Wüste.
    Sie sprachen über das Leben, das sie in Hamburg oder Berlin
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    oder wo auch immer führen würden.
    Er sagte: »Unser Grundstück in Grunewald ist groß genug. Wir
    könnten da wohnen. Das Haus umbauen.«
    Sie nickte lächelnd.
    Er dachte, sie hat die Augen einer Träumerin.
    Um elf Uhr vormittags brachen sie auf. Stiegen in den VW.
    »Wohin fahren wir jetzt?« fragte Irene.
    »Zuerst einmal in Richtung Jericho.«
    Der Himmel war hoch und klar, die Sicht weit.
    Sie begegneten Beduinen. Ihr schwarzes Zelt hob sich kaum von
    den Felsen neben der Straße ab, obwohl diese kreidighell waren.
    Unter der Ziegenherde war ein rotgefärbtes Schaf, was Glück brin-
    gen soll.
    Die Beduinen luden Werner und Irene zum Tee ein.
    Ein winziges Feuer aus trockenem Reisig flackerte vor dem Zelt,
    darauf simmerte ein blauer Teekessel.
    Sie tranken aus kleinen Gläsern, die der Beduine mit dem ko-
    chenden Wasser ausspülte, dann Tee hineingoß, mit Pfefferminze
    gewürzt.
    Irenes Haar wehte im Wind. Sie trug es offen unter einem breiten
    Stirnband. Es leuchtete wie Rotgold.
    Sie dankte den Beduinen für den Tee auf arabisch.
    Werner wunderte sich nicht. Er war bereit, an Irene alles zu ak-
    zeptieren.
    Sie fuhren weiter. Verließen bald die breite, asphaltierte Straße.
    Fuhren über Pfade, die manchmal nicht einmal das waren.
    Irene fragte nicht mehr, wohin.
    Es verwunderte Werner, aber er hielt es für einen Beweis ihres
    Vertrauens.
    Um zwei Uhr mittags erreichten sie die Stelle, wo Jim Fletcher
    und seine Frau mit ihrem VW vor sechs Jahren die Wagenpanne ge-
    habt hatten.
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    Um sie herum war steinige Wüste.
    Seltsame Farben umgaben sie, sie wechselten, so wie die Wolken
    über den Himmel zogen und die Strahlen der Sonne brachen.
    »Es ist sehr heiß«, sagte Irene.
    Werner nickte.
    Er stieg aus dem Wagen.
    Er sah sich um.
    Absolute Stille umgab ihn.
    Nein, noch nicht. Der Motor des Wagens knackte leise, Metall
    dehnte sich und zog sich zusammen.
    Irene war im Wagen sitzen geblieben. Sie trug jetzt ihre Sonnen-
    brille.
    »Es ist sehr heiß«, sagte sie noch einmal, aus dem offenen Wagen-
    fenster heraus.
    »Hast du Durst?« fragte er.
    »Ja.«
    Er nahm eine der beiden Colaflaschen vom Boden hinter den
    Vordersitzen.
    »Lauwarm«, sagte er. »Tut mir leid.«
    Sie hob die Schultern.
    »Und verdammt, ich hab' vergessen, einen Flaschenöffner mitzu-
    nehmen. Das hatten damals auch die Fletchers vergessen.«
    Irene sah Werner an, aber er konnte ihre Augen hinter den dunk-
    len Gläsern nicht erkennen.
    Sie sagte nichts.
    »Verdammt einsam hier«, sagte er, »nicht mal Beduinen.«
    »Das ist die Wüste«, sagte sie tonlos.
    Am Türschloß des Wagens öffnete Werner die Colaflasche; bei-
    nahe der halbe Inhalt schäumte heraus.
    Irene war ausgestiegen, kam um den Wagen herum.
    Sie nahm ihre Sonnenbrille ab.
    Er sah in ihre Augen, und wieder war es ihm, als könne er sich
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    in diesen Augen verlieren.
    Er hielt ihr die Colaflasche hin.
    Sie nahm sie. Aber sie trank keinen Schluck.
    »Ich habe keinen Durst mehr«, sagte sie.
    Sie gab ihm die Flasche zurück.
    Er trank durstig.
    »Ganz schön mulmig hier, was?« fragte er. »Hier möchte ich kei-
    ne Wagenpanne haben.«
    Sie nickte nur.
    Und dann fragte Irene: »Warum tust du das?«
    »Hier ist vor sechs Jahren etwas passiert«, sagte er. »Ich wol te mal sehen, wie das gelaufen ist. Für meinen Bericht an die Redaktion.«
    Irene setzte wieder ihre Sonnenbrille auf.
    »Und weißt du es jetzt?« Ihre Stimme klang mit einem Mal selt-
    sam feindlich.
    »Ich weiß bloß eins, daß man nicht mit 'ner Flasche Cola in die
    Wüste fahren sollte«, sagte Werner. »Das Zeug schmeckt lauwarm
    scheußlich.«
    Und dann sah er, daß Irene weinte.
    Er warf die Colaflasche fort.
    Er nahm Irene in die Arme.
    »Was ist denn, Menschenkind, Irene, was ist denn?« fragte er hilf-
    los. »Warum weinst du denn?«
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    13
    ie Wüste lag grau und stumm und noch immer glühendheiß in
    Dden

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