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Spurlos

Spurlos

Titel: Spurlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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gelernt hatte, war der Stich, den er vorher bei der Erwähnung seines Namens immer gespürt hatte, langsam verschwunden. Inzwischen mochte er Frank sogar und wusste seine Exfrau und seine Tochter bei ihm gut aufgehoben. Ein wenig Wehmut allerdings war geblieben – darüber, es selbst nicht geschafft zu haben, die beiden bei sich zu behalten.
    „Wir hatten damals bevor wir McNulty fassten, ebenfalls in dieser Richtung recherchiert“, sagte er langsam. „Es gab in vielen Kulturen den Brauch, unter die vier Eckpfosten eines neuen Gebäudes, insbesondere eines Tempels, Menschenopfer zu verscharren. Das machten zum Beispiel auch einige Völker der Südsee.“ Ein Ethnologe hatte sie damals beraten, und wäre nicht der Anlass ein solch schrecklicher gewesen, hätte Shane dessen Vorträge über Bräuche und Bestattungen weitaus entspannter verfolgen können.
    „Ich hab’ davon gehört, ja.“ Vicky nickte. „Ich hab’ noch etwas anderes, hier:
    Haruspizium: Weissagung aus den Eingeweiden von Opfertieren bei den Etruskern. Man unterscheidet zwei Hauptarten: Die Hepatoskopie, das ist die Untersuchung der Leber, und das – moment, das ist wirklich ein schwieriges Wort“, sie lächelte kurz, „Extispizium - die Untersuchung von Milz, Magen, Nieren, Herz und Lunge. Auch die Inkas in Peru … hier ist noch etwas Interessantes: Das etruskische Haruspizium kannte zwei Arten von Opfern: die hostiae animales, die rein religiös eingesetzt wurden, und die hostiae consultatoriae, die zur Weissagung dienten.
    Auf die eigentliche Opferung folgte die Beobachtung der Eingeweide. War diese Beobachtung beendet, warf man die Organe in s Feuer. Die Farbe, die Bewegungen der Flammen und die Rauchentwicklung wurden verzeichnet.“ Vicky sah ihn mit angewidertem Ausdruck an. „Das ist doch wirklich grauenvoll!“ Vicky war in Fahrt. „Dann gibt es auch noch die Stellen in der Bibel“, fuhr sie fort, „im Alten Testament, die Anweisungen zur Opferung bringen. Allerdings handelt es sich hier um Tieropfer.“ Sie zog ein Papier vor. „Soll ich es trotzdem mal lesen?“
    „Ja, sicher“, sagte er und ertappte sich bei dem Gedanken, wie es wohl wäre, mit einer jungen, noch so engagierten Assistentin zusammenzuarbeiten. Ein wenig wehmütig dachte er an seine ersten Jahre – doch da las Vicky weiter.
    „Soll ein Gemeinschaftsopfer die Opfergabe sein und will jemand ein Rind darbringen, so muss er ein fehlerloses männliches oder weibliches Tier darbringen. Er lege die Hand auf den Kopf seines Opfers und schlachte es. Die Priester sollen das Blut ringsum an den Altar sprengen.“
    Sie sah auf und schluckte. Er wusste, woran sie dachte. Valerie Tates Blut war in den Boden gesickert.
    „Dann bringe er als Feueropfer das Fett, das die Eingeweide bedeckt, ferner die beiden Nieren, die Lenden und die Leberlappen …“ Sie brach ab. „Der Mörder hat sich nicht auf diese Organe beschränkt. Und er hat sie auch nicht, wie in der Bibel gefordert, verbrannt.“
    „Das war uns damals auch aufgefallen. Wir konnten nichts damit anfangen. Deswegen haben wir diese Idee wieder verworfen.“ Und deshalb waren wir so erleichtert, als wir McNulty fassten, und er recht schnell alles gestand. Die Erinnerung an die Ermittlungen lastete auf ihm. Jetzt, nach so vielen Jahren, wurden ihm die Fehler und Vernachlässigungen immer deutlicher.
    „Ich bin sicher“, Vicky holte ihn aus seinen Gedanken zurück, „unser Täter kennt diese Anweisungen in der Bibel. Er hat es genauso gemacht. Nur hat er die Eingeweide nicht in Rauch aufgehen lassen, sondern er hat sie der Erde übergeben.“ Sie lehnte sich zurück, auf ihrer Stirn hatte sich eine Grübel falte gebildet. „Offenes Feuer ist um diese Jahreszeit ziemlich gefährlich.“
    Shane sah das trockene Buschland mit den verkohlten Baumstümpfen vor sich, durch das sie auf dem Weg zum Haus der Hell’s Angels gefahren waren. „Ja, und man kann es von weitem sehen.“
    Vicky nickte.
    „Unser Kerl ist ziemlich clever, was?“
    McNulty war das ganz sicher nicht gewesen. Zunächst waren sie in ihren Ermittlungen auch von einem intelligenten, vorausschauenden Täter ausgegangen, dann, als sie McNulty gefasst hatten, hatten sie ihre Theorien und ihr Täterprofil stillschweigend in den Papierkorb geworfen.
    „Vicky, lesen Sie das bitte noch mal. Das mit dem Andenken an die Verstorbenen“, sagte er nachdenklich.
    Sie blätterte in ihren Papieren. „Hier ist es. …zum Andenken an die Verstorbenen versieht

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