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Spurlos

Spurlos

Titel: Spurlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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unbeschwert zu klingen. Brett Horkay trat neben sie, und sah wie sie zum Himmel. Wie eine glühende Münze aus Bronze versank die Sonne im Meer. Sie spürte seine Energie, ihr wurde heiß, noch heißer, und wenn sie sich ihren Gefühlen hingeben würde, dann …
    Brett lächelte sie an. „Entschuldigen Sie mich, ich komme nachher zum Stand.“ Dann ging er und verschwand in der Menschenmenge. Verstimmt sah sie ihm nach. Gerade wollte sie sich zum Gehen wenden, als ihr Blick an einem schwarzen Augenpaar hängen blieb. Gebannt starrte sie in die kohlrabenschwarzen Augen einer älteren Aborigine, die in der vorbeiströmenden Menge einfach stehen geblieben war. Merkwürdigerweise wurde sie nicht gestoßen oder weitergedrängt, die Menschen wichen ihr aus, als wäre sie von einem unsichtbaren Wall umgeben. Alison spürte, wie ihr eine Gänsehaut über den Körper lief. Sie wollte sich aus dem magischen Bann dieses durchdringenden Blickes befreien, der bis in ihr tiefstes Inneres zu dringen und ihr dunkles Geheimnis zu erkennen schien. Doch sie konnte sich nicht losreißen. Sie musste in dieses fremde Augenpaar in dem schwarzen Gesicht starren, das – so kam es ihr vor – niemals lächelte. Auf einmal bewegten sich die Lippen der Fremden und formten unhörbare Laute. Plötzlich löste sie ihren Blick von Alison, und einen Moment später war sie in der Menge untergetaucht. Alison lief ein Schauder über den ganzen Körper. Wie war es möglich, dass sie ein einziger Blick so irritieren, ja so beunruhigen konnte? Was hatte die Frau gesehen? Was hatte sie gesagt? Während sich Alison den Weg zum Stand des Writer’s Festivals bahnte, wusste sie auf einmal die Antwort. Die fremde Aborigine hatte ihre Schuld erkannt - und hatte sie schuldig gesprochen.
    Meg winkte. Sie trug ein weites rotes Kleid mit gelben Blüten und hatte ihren Pferdschwanz zum Dutt drapiert. Vor ihr auf dem Tisch stapelten sich fein säuberlich Broschüren und Bücher der am Festival teilnehmenden Schriftsteller.
    „Gut, dass du kommst! Ich brauche Unterstützung!“
    „Ich hab’ Brett in der Stadt getroffen und ihn mitgebracht.“ Alison verstaute ihre Tasche unter dem Tisch.
    „Ach …“ Meg wandte sich überrascht zu ihr um. „Zu mir sagte er, er wolle heute mal einen ruhigen Abend haben. Aber ...“ sie lächelte vielsagend, „wer weiß, was Brett unter einem ruhigen Abend versteht, was?“
    Alison überwand sich zu einem Lächeln und gab sich die nächste Zeit redlich Mühe, die Fragen der Interessenten freundlich und ausführlich zu beantworten. Doch Brett Horkays Worte gingen ihr nicht aus dem Sinn und die Augen der Aborigine schienen sie von irgendwoher zu beobachten. Ab und zu sah sie auf, doch sie konnte die geheimnisvolle Fremde nirgendwo entdecken. Genauso wenig wie Brett Horkay.
    Sie hatte sich Illusionen gemacht. Ihr Leben war durcheinander geraten.

    Die Sonne ging unter und es wurde dunkel. Nur das Licht von den Ständen und der spärlich gesetzten Laternen erleuchtete die Promenade. Die Wiese, wo die Menschen beim Picknick saßen, war in Dunkelheit getaucht. Und plötzlich sah sie sie: Die Augen der Aborigine, hinter der Menschenmenge, die sich zwischen den Ständen hindurch schob.
    Alison fasste einen Entschluss.
    „Ich muss mal kurz verschwinden“, sagte sie zu Meg, die gerade in einen gefüllten vietnamesischen Hähnchenschenkel biss.
    Alison nahm ihre Tasche und bahnte sich einen Weg durch den Strom der Besucher, hin zu dem Augenpaar, das sie aus dieser Entfernung und in der Dunkelheit eigentlich gar nicht sehen konnte.

13
    Noch in der Nacht wird der Wind stärker. Heulend fährt er durch die Ritzen des Hauses, drückt gegen die Fenster und Türen, sprengt Scheiben, reißt Äste von den Bäumen, treibt Blecheimer vor sich her. Das Heulen des Sturms ist wie das Schreien von Menschen. Holzwände brechen ächzend – und dann, dann schießt ein riesiger Schatten heran, ein Urvogel, gesandt, um die Lüge zu strafen.
    Er träumt e ihn auch tagsüber, immer denselben Traum.

    Tamara hatte es geschafft, den Fernseher abzumontieren, ihn im Apartmenthaus ihrer Eltern in den Aufzug zu schleppen und in der Wohnung auf dem Regal wieder aufzustellen. Weder ihr Vater noch ihre Mutter waren ihr dabei eine Hilfe. Sie hatten herumgestanden und nicht begriffen, dass sie einfach mal hätten anpacken können. Tamara ersparte sich eine Bemerkung, die doch nur zu einer fruchtlosen Diskussion geführt und mit Vorwürfen geendet hätte. Um zehn vor

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