Sputnik Sweetheart
Krachen am Anfang. Verdutzt wartete ich noch eine Weile, ob die Verbindung nicht wieder zustande käme, den Hörer ans Ohr gepresst, aber es war nur noch dieses ohrenbetäubende Krachen zu hören. Ergeben legte ich den Hörer auf und ging in die Küche. Gegen den Kühlschrank gelehnt, trank ich ein Glas kalten Gerstentees und versuchte, meine Gedanken zu ordnen.
Sollte ich wirklich ins Flugzeug steigen und zu dieser griechischen Insel aufbrechen? Die Antwort lautete eindeutig Ja. Ich hatte keine andere Wahl.
Ich nahm meinen Weltatlas aus dem Regal, um die Insel zu lokalisieren. Trotz Mius Hinweis, dass sie in der Nähe von Rhodos liege, erwies es sich als gar nicht so leicht, sie unter den zahllosen größeren und kleineren Inseln der Ägäis ausfindig zu machen, doch nach einigem Suchen gelang es mir, den in winziger Schrift gedruckten Namen zu entdecken. Die Insel lag in der Nähe der türkischen Grenze und war so klein, dass ich nicht einmal ihre Form ausmachen konnte.
Ich holte meinen Pass aus der Schublade, um mich zu vergewissern, dass er noch gültig war. Ich suchte alles Geld zusammen, das ich im Haus hatte, und steckte es in mein Portemonnaie. Viel kam nicht zusammen, aber am Morgen konnte ich mir an einem Geldautomaten noch welches ziehen. Schon seit einiger Zeit besaß ich ein Sparbuch, und von meinem Sommerbonus hatte ich bis jetzt kaum etwas ausgegeben. Zudem hatte ich eine Kreditkarte, mit der ich in jedem Fall einen Hin- und Rückflug nach Griechenland bezahlen konnte. Ich packte ein paar Kleidungsstücke und einen Kulturbeutel in meine Plastiksporttasche. Für alle Fälle nahm ich zwei Romane von Joseph Conrad mit. Bei der Badehose zögerte ich einen Moment, beschloss dann aber, eine mitzunehmen. Vielleicht war das Problem bereits gelöst, wenn ich auf der Insel ankam, alle waren gesund und munter, die Sonne strahlte friedlich vom Himmel, und ich konnte noch ein paar Badetage einlegen, bevor ich nach Hause flog. Einen besseren Ausgang könnte man sich nicht wünschen.
Nach diesen Vorbereitungen ging ich erst mal wieder ins Bett, löschte das Licht und vergrub den Kopf im Kissen. Es war erst kurz nach drei, bis zum Morgen blieb mir noch etwas Zeit zu schlafen, aber ich konnte nicht. Die Erinnerung an die krachenden Geräusche ließ mich nicht los. Mir dröhnte die Stimme des Mannes in den Ohren, die meinen Namen rief. Ich knipste das Licht an, stand auf, ging in die Küche und machte mir Eistee. Dann ließ ich mir das Gespräch mit Miu noch einmal Wort für Wort durch den Kopf gehen. Es war voller Ungereimtheiten, vage und unkonkret gewesen, ein Rätsel. Die beiden einzigen Fakten, die sich daraus ableiten ließen, schrieb ich auf einen Notizblock.
1. Sumire ist etwas zugestoßen. Aber Miu weiß nicht was.
2. Ich muss so schnell wie möglich hin. Das ist auch in Sumires Sinn (glaubt Miu).
Ich starrte auf den Notizblock und unterstrich die Worte »weiß nicht« und »glaubt«.
1. Sumire ist etwas zugestoßen. Aber Miu weiß nicht was.
2. Ich muss so schnell wie möglich hin. Das ist auch in Sumires Sinn ( glaubt Miu).
Ich hatte keine Ahnung, was Sumire auf dieser kleinen Insel in Griechenland passiert sein konnte. Es musste jedoch etwas Schlimmes sein, aber wie schlimm? Vor dem Morgen konnte ich nichts unternehmen, also setzte ich mich in den Sessel, legte die Beine auf den Tisch und las, während ich darauf wartete, dass der Tag anbrach. Aber es wollte einfach nicht hell werden.
Im Morgengrauen fuhr ich mit der Chuo-Linie nach Shinjuku und stieg dort in den Express zum Flughafen Narita. Als ich gegen neun die Schalter der Fluggesellschaften abklapperte, erfuhr ich, dass es keine Direktflüge von Narita nach Athen gab. Schließlich buchte ich bei KLM einen Flug nach Amsterdam, wo ich in eine Maschine nach Athen umsteigen konnte. In Athen würde ich mit der griechischen Fluglinie Olympic nach Rhodos fliegen, das war die schnellste Möglichkeit. KLM nahm alle Reservierungen für mich vor. Wenn nichts Unvorhergesehenes eintrat, würde ich die Anschlüsse problemlos schaffen. Der Rückflug blieb offen, ich konnte ihn jederzeit innerhalb der nächsten drei Monate antreten. Ich bezahlte mit Kreditkarte. Nein, Gepäck hatte ich nicht aufzugeben.
Die Zeit bis zum Abflug nutzte ich dazu, im Flughafenrestaurant zu frühstücken, Bargeld abzuheben und es in Dollar-Reiseschecks umzutauschen. In einem Buchladen kaufte ich mir einen kleinen Griechenlandführer, in dem Mius Insel zwar nicht
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