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Sputnik Sweetheart

Sputnik Sweetheart

Titel: Sputnik Sweetheart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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natürlich nicht mehr so grell, aber der Himmel war noch genauso hell und das sommerliche Leuchten hatte sogar noch an Kraft gewonnen. Der Name der Insel stand in riesigen schwarzen Lettern auf einer der weißen Wände des Hafengebäudes wie auf einem Schild. Sobald die Fähre anlegt hatte, gingen die Passagiere nacheinander mit ihrem Gepäck über den Steg an Land. Im Café am Hafen warteten schon die Abholer.
    Ich hielt Ausschau nach Miu, konnte aber keine Frau entdecken, auf die ihre Beschreibung gepasst hätte. Mehrere Pensionswirte sprachen mich an, um mir eine Unterkunft anzubieten. Obwohl ich ablehnend den Kopf schüttelte, drückte mir jeder von ihnen seine Karte in die Hand.
    Die Leute, die mit mir von Bord gegangen waren, zerstreuten sich. Die vom Einkaufen zurückgekehrten Einheimischen gingen nach Hause, die Touristen in ein Hotel oder in eine Pension. Sobald Abholer und Abgeholte sich gefunden hatten, umarmten sie einander oder schüttelten sich die Hände und machten sich gemeinsam auf den Weg. Auch die beiden Laster und der Peugeot Sedan hatten die Fähre verlassen und fuhren mit dröhnenden Motoren davon. Schließlich machten sich sogar die Hunde und Katzen, die neugierig herbeigelaufen waren, aus dem Staub. Am Ende blieben nur noch ein paar sonnenverbrannte alte Männer, die offenbar nichts Besseres zu tun hatten, übrig. Und ich. Mit meiner Sporttasche. Völlig fehl am Platz.
    Ich setzte mich an einen der Tische vor dem Café, bestellte einen Eistee und überlegte, wie ich weiter vorgehen sollte. Welche Möglichkeiten hatte ich? Es wurde Abend, und ich kannte mich auf der Insel nicht aus. Viel konnte ich also nicht tun. Wenn nicht bald jemand käme, würde ich mir ein Zimmer nehmen müssen und mich am nächsten Morgen bei der Ankunft der Fähre wieder einfinden. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Miu mich ohne Grund versetzte. Nach dem, was ich von Sumire gehört hatte, war sie eine höchst verantwortungsbewusste und gewissenhafte Frau. Also gab es sicher gute Gründe für ihr Ausbleiben. Vielleicht hatte sie auch einfach nicht so schnell mit meiner Ankunft gerechnet.
    Nagender Hunger plagte mich. Ich war dermaßen aushungert, dass ich mir schon fast durchsichtig vorkam. Wahrscheinlich erinnerte die frische Seeluft meinen Körper daran, dass ich ihm seit dem Morgen keine Nahrung zugeführt hatte. Andererseits wollte ich Miu auf keinen Fall verpassen und beschloss, lieber noch eine Weile vor dem Café zu bleiben. Mitunter schlenderte ein Einheimischer vorbei und warf mir einen neugierigen Blick zu.
    Am Kiosk nebenan erstand ich eine englische Broschüre über Geschichte und Geografie der Insel und blätterte darin, während ich meinen erstaunlich faden Eistee trank. Die Insel hatte je nach Jahreszeit zwischen drei- und sechstausend Einwohnern. Die Bevölkerungszahl stieg im Sommer, wenn die Urlauber kamen, und sank im Winter, wenn die Bewohner sich anderswo um Arbeit bemühen mussten. Die Insel besaß keine nennenswerte Industrie, und auch die landwirtschaftliche Nutzung beschränkte sich auf Oliven und einige wenige Obstsorten. Ansonsten lebten die Bewohner vom Fischfang und vom Schwammtauchen. Anfang des 20. Jahrhunderts waren viele Inselbewohner aus Armut nach Amerika ausgewandert, die meisten nach Florida, wo sie sich ihre Erfahrungen als Fischer und Schwammtaucher zunutze machen konnten. Noch heute gibt es dort eine Stadt, die den Namen der Insel trägt.
    Auf einem der Berge der Insel befand sich eine militärische Radarstation und in der Nähe des Zivilhafens noch ein kleiner Hafen für die Kriegsmarine. Wegen der unmittelbaren Nähe zur türkischen Grenze bestand die Gefahr des Schmuggels und illegaler Grenzübertritte. Überhaupt war das Militär auf der ganzen Insel präsent. Kam es zu Unstimmigkeiten mit der Türkei (was immer wieder geschah), herrschte reger Schiffsverkehr.
    Vor unserer Zeitrechnung, auf dem Höhepunkt der klassischen griechischen Kultur, war die Insel ein blühender Handelsstützpunkt auf der Route nach Asien gewesen. Die Hügel waren von grünen Bäumen bewachsen gewesen, deren Holz der florierenden Schiffsbauindustrie dienten. Aber nachdem die griechische Kultur zerfallen und alle Bäume abgeholzt waren (ihr üppiges Grün war für immer verloren), büßte die Insel rasch ihre Bedeutung ein. Schließlich besetzten die Türken das Land. Ihre Herrschaft war totalitär und unerbittlich. Wenn ihnen etwas nicht passte, schnitten sie den Missliebigen umstandslos Ohren und

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