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Sputnik Sweetheart

Sputnik Sweetheart

Titel: Sputnik Sweetheart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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nie jemand gesagt? Ich habe es eingesehen und mich bemüht, damit aufzuhören. Ich mag Lotte Lenya, aber so sehr auch wieder nicht. Aber als ich mit dem Rauchen aufhörte, merkte ich plötzlich, dass ich am Schreibtisch saß und meine Knöchel knacken ließ. Knackknackknackknack. Mein Name ist Bond – James Bond.
     
    Aber kehren wir zum Anfang zurück. Die Zeit drängt – kein Platz für Abschweifungen und Metaphern. Lotte Lenya ist jetzt auch egal. Wie gesagt, Bekanntes und Unbekanntes sind in unserem Inneren unweigerlich am selben Platz beheimatet. Daher errichten die meisten Leute aus praktischen Gründen eine Trennwand zwischen beidem, um es sich ein bisschen leichter zu machen. Ich habe diese Trennwand einfach niedergerissen. Ich musste es tun, weil ich Wände nun einmal hasse. Das ist eben mein Charakter.
     
    Zurück zum Bild der siamesischen Zwillinge. Obwohl untrennbar verbunden, kommen sie nicht immer gut miteinander aus. Im Grunde bemühen sie sich auch gar nicht um gegenseitiges Verständnis. Im Gegenteil, sie ignorieren sich eher. Die rechte Hand weiß nicht, was die linke, und die linke nicht, was die rechte tut, und es entsteht ein heilloses Durcheinander, in dem wir uns verirren … und plötzlich – rums – in irgendetwas hineinrennen.
     
    Damit will ich Folgendes sagen: Legt man Wert darauf, dass das Bekannte (oder zumindest das, was man dafür hält) mit dem Unbekannten in Harmonie lebt, muss man einen Trick anwenden. Und dieser Trick besteht – natürlich – im Nachdenken. Daran müssen wir uns festhalten. Sonst geraten wir unweigerlich und hundertprozentig auf Volltreffer-Kollisionskurs.
     
    Frage.
    Was kann man also tun, um eine Kollision (rums) zu vermeiden, wenn man nicht ernsthaft nachdenken will (sondern lieber auf einer Wiese liegt, den weißen Wölkchen nachschaut und dem Rascheln der Grashalme zuhört)? Schwierige Frage? Nein, nein, ganz logisch betrachtet ist sie einfach zu beantworten. C’est simple. Man braucht nur zu träumen, immer weiter, in die Welt der Träume einzutauchen und sie nicht mehr zu verlassen. Dann kann man bis in alle Ewigkeit dort leben.
    In der Welt der Träume muss man keine Unterscheidungen treffen. Überhaupt keine. Dort existieren von Anfang an keine Grenzen. Darum kommt es in Träumen auch fast nie zu Kollisionen, und wenn doch, tun sie nicht weh. Aber in der Realität ist das anders. Die Realität schmerzt. Realität. Realität.
     
    Vor langer Zeit, als Sam Peckinpahs Film Sie kannten kein Gesetz herauskam, stellte eine Journalistin auf einer Pressekonferenz in aufgebrachtem Ton die Frage: »Warum mussten Sie so viel Blut zeigen?« Ernest Borgnine, einer der Schauspieler, antwortete mit ratlosem Gesicht: »Aber, meine Dame, das ist doch normal – wenn jemand erschossen wird, fließt Blut.« Der Film kam genau auf dem Höhepunkt des Vietnamkriegs heraus.
    Dieser Satz imponiert mir, denn er trifft den Kern der Realität. Die Unvermeidlichkeit von etwas zu begreifen, das schwer zu akzeptieren ist. Schüsse und dann Blut.
     
    Wenn jemand erschossen wird, fließt Blut.
     
    Deshalb habe ich angefangen zu schreiben. Ich hänge auf ganz alltägliche Weise meinen Gedanken nach, gerate unversehens auf unbekanntes Territorium und empfange einen Traum – einen augenlosen Fötus namens Erkenntnis, der in der überwältigenden Weite eines kosmischen Fruchtwassers namens Unkenntnis treibt. Vielleicht sind meine Romane so lächerlich lang und kommen nie zu einem richtigen Abschluss (zumindest bisher), weil ich diesen Maßstäben weder technisch noch moralisch gewachsen bin.
     
    Aber dies ist ja kein Roman. Es ist – wie soll ich es nennen – einfach ein Text, der nicht einmal ein richtiges Ende haben muss. Vorläufig denke ich nur laut und trage somit keine moralische Verantwortung. Ich – hmm – denke nur nach. Ich habe schon eine Ewigkeit nicht mehr nachgedacht und werde es wohl noch auch eine Weile nicht tun. Aber im Moment tue ich es ja doch. Ich werde nachdenken, bis der Morgen graut.
     
    Doch die altvertrauten, düsteren Zweifel kann ich nicht abwerfen. Verschwende ich meine Zeit und Energie an ein sinnloses Unterfangen? Schleppe ich eimerweise Wasser an einen Ort, der schon seit langem im Regen fast ertrinkt? Sollte ich meine fruchtlosen Bemühungen nicht lieber aufgeben und mich einfach dem natürlichen Fluss der Dinge überlassen? Kollision? Was ist das?
     
    Ich sage es mit anderen Worten.
Aber mit welchen anderen Worten?
Genau, so mach ich

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