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Sputnik Sweetheart

Sputnik Sweetheart

Titel: Sputnik Sweetheart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Wohnzimmer ab. Auf einer waren Lieder von Mozart. »Elisabeth Schwarzkopf und Walter Gieseking (P)« hatte Sumire darauf geschrieben. Ich verstehe von klassischer Musik nicht viel, aber die Schönheit dieser Stücke vermittelte sich mir sofort. Vielleicht war der Gesang im Stil ein wenig altmodisch, aber gerade deshalb erinnerte er mich an große, unvergessliche Prosa und weitete mir wohltuend die Brust. Der Pianist und die Sängerin erklommen luftige Höhen und erreichten feierliche Tiefen, und ich sah sie beide fast vor mir. Eines der Lieder auf der Kassette musste dasjenige über das Veilchen – Sumire – sein. Ich lehnte mich im Sessel zurück, schloss die Augen und ließ mich mit Sumire von den Klängen verzaubern.
     
    Es war eine ganz andere Musik, die mich wieder weckte. Nicht dass sie besonders laut gewesen wäre – eigentlich war sie kaum zu hören, aus so weiter Ferne schien sie zu kommen. Geweckt hatte mich wohl eher ihr gleichmäßiger Takt, der mich an die rhythmischen Bewegungen von Matrosen erinnerte, die aus dem nächtlichen Ozean einen Anker einholen. Ich setzte mich auf und lauschte angespannt in Richtung des geöffneten Fensters. Kein Zweifel – Musik. Meine Armbanduhr neben dem Kopfkissen zeigte kurz nach eins. Wer wohl zu dieser späten Stunde noch so laut Musik machte?
    Ich zog meine Hose und ein Hemd an, schlüpfte in die Schuhe und ging nach draußen. Alle Häuser in der Nachbarschaft waren dunkel. Kein Mensch war zu sehen. Es herrschte Windstille, und sogar das Rauschen der Wellen war verstummt. Der Mond tauchte die schweigende Erde in sein Licht. Ich blieb stehen und horchte wieder. Seltsamerweise schien die Musik von der Spitze des Hügels zu kommen, obwohl in den Bergen außer ein paar Schäfern und Mönchen keine Menschen lebten. Zudem konnte ich mir kaum vorstellen, dass sie sich zu so später Stunde versammelten, um ein lustiges Fest zu feiern.
    Draußen war die Musik deutlicher zu hören als im Haus. Die Melodie konnte ich nicht erkennen, aber der Rhythmus sagte mir, dass es eine griechische Weise war. Sie hatte den eigentümlichen, ungeschliffenen Klang von Live-Musik, die nicht aus Lautsprechern kommt.
     
    Inzwischen war ich hellwach. Die Sommernacht war angenehm mild und von geheimnisvoller Tiefe. Wäre ich nicht in solcher Sorge um Sumire gewesen, wäre ich sicherlich in eine feierliche Stimmung geraten. Ich stemmte die Hände in die Hüften, streckte mich, schaute hinauf in den Himmel und atmete tief ein. Nächtliche Kühle durchströmte mich. Vielleicht hörte Sumire dort, wo sie nun war, die gleiche Musik.
    Ich beschloss, der Musik zu folgen, um herauszufinden, woher sie kam und wer sie machte. Der Weg den Hügel hinauf war derselbe, den ich am Morgen zum Strand genommen hatte, verlaufen konnte ich mich also nicht. Ich würde gehen, soweit ich eben kam.
    Mühelos fand ich meinen Weg im hellen Licht des Mondes, in dem die Felsen bizarre Schatten warfen und die Erde in geheimnisvollen Farben schimmerte. Jedes Knirschen der Kiesel unter den Gummisohlen meiner Turnschuhe klang unnatürlich und übertrieben laut. Je höher ich den Hang hinaufstieg, desto lauter wurde die Musik. Wie ich vermutet hatte, kam sie vom Gipfel des Hügels. Ich konnte Schlaginstrumente heraushören, eine Busuki, ein Akkordeon und ein Flöte. Vielleicht noch eine Gitarre. Außer dem Spiel der Instrumente war nichts zu vernehmen. Kein Gesang, überhaupt keine Stimmen. Nur die Musik erklang unablässig und ziellos in ihrem montonen, ausdruckslosen Takt weiter.
    Nun wollte ich unbedingt wissen, was auf dem Hügel vor sich ging. Zugleich warnte mich eine innere Stimme davor, näher heranzugehen. Unbezwingbare Neugier kämpfte in mir mit instinktiver Furcht. Irgendetwas zog mich vorwärts. Die Situation glich einem Traum, in dem die Möglichkeit einer Wahl nicht besteht. Oder in dem gar keine verschiedenen Möglichkeiten zur Wahl stehen.
    Ich stellte mir vor, dass Sumire vielleicht vor ein paar Tagen von der gleichen Musik geweckt worden und aus Neugier im Schlafanzug den Hügel hinaufgestiegen war.
    Ich blieb stehen und wandte mich um. Wie die weiße Kriechspur eines riesigen Insekts schlängelte sich der Weg bergabwärts zur Stadt. Ich warf einen Blick zum Himmel, dann auf meine vom Mondlicht beschienenen Handflächen. Auf einmal wurde mir klar, dass dies nicht mehr meine Hände waren. Erklären kann ich es nicht, aber ich erkannte es auf den ersten Blick. Mein Hände waren nicht mehr meine Hände, meine

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