St. Leger 01 - Der Fluch Der Feuerfrau
inmitten einer brodelnden Stadt allein fühlen«, entgegnete die junge Frau mit einem traurigen Lächeln.
»Ihr könntet ihn aus dieser Einsamkeit erlösen, meine liebe Miss Breton. Ich glaube, das Schicksal hat Euch dazu auserkoren, die Frau von Anatole St. Leger zu werden.«
»Mich?« Madeline lachte und schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, ich besitze weder das Vermögen noch die sanfte Grazie, welche die meisten Männer bei einer Frau suchen.«
»Mr. St. Leger ist aber nicht so wie die meisten Männer. Ich kann es Euch nicht genau erklären, aber in mir ist diese besondere Gewissheit...« Er legte eine Hand auf die ihre und drückte sie leicht. »Ich bin mir sicher, dass Ihr die Frau seid, die mein Herr sich immer gewünscht hat. Und mein Herz sagt mir überdeutlich, dass Ihr die Einzige seid, die er jemals wird lieben können.«
Der schiere Wahnsinn. Doch als Madeline in die blauen Augen Fitzlegers geblickt hatte, fing sie auch an, das zu glauben. Und das war höchst merkwürdig, hatte die junge Frau doch schon vor längerem alle Hoffnung auf eine Vermählung begraben.
Madeline wusste, sie besaß nicht den Charme, mit dem man einen Mann so um den Verstand bringen konnte, dass er darüber vergaß, wie wenig Vermögen sie in die Ehe einbringen würde. Und wenn sie jemals daran Zweifel hegen sollte, blieben ihr immer noch Mutter und die Londoner Gesellschaft, welche ihr das deutlich klarmachten. Mit ihrer Intelligenz, ihrer Logik und ihrer direkten Art hatte sie die wenigen Verehrer abgeschreckt, die sich ihr zu nähern gewagt hatten. Der arme Mr. Brixstead versteckte sich immer noch hinter der nächstbesten Säule, sobald sie einen Ballsaal betrat.
In ihrem hohen Alter von zweiundzwanzig Jahren hatte Madeline sich längst damit abgefunden, so zu enden wie Cousine Harriet: als alte Jungfer, die arme Verwandte eben, welche ständig bemüht war, sich dem Rest der Familie als nützlich zu erweisen, und die nur dann zu einer Abendrunde eingeladen wurde, wenn man dringend einen Ausgleich für die Gästezahl am Tisch benötigte. Und da tauchte wie aus heiterem Himmel Mr. Fitzleger auf und bot ihr Möglichkeiten, die sie nicht mehr zu träumen gewagt hatte: ein eigenes Heim, Kinder, einen liebevollen Gemahl, der sich um sie kümmerte und ihr nicht nur Reichtum, sondern auch Geist bieten konnte; und der ihre eigene Bildung zu würdigen wüsste.
Ich bin mir sicher, dass Ihr die Frau seid, die mein Herr sich immer gewünscht hat.
Madeline hatte diese Worte seitdem in ihrem Herzen aufbewahrt. Als sie an jenem Tag auf das Porträt geschaut hatte, wagte die praktische Frau zum ersten Mal in ihrem Leben zu träumen ...
Sie wurde abrupt aus ihren angenehmen Gedanken gerissen, als die Kutsche einen Satz machte, der die Insassen fast von den Sitzen gerissen hätte. Und gleich darauf wurde der Wagen langsamer.
»Was ist denn jetzt schon wieder?«, schrie die Base. »Banditen?«
Madeline ließ das Bildnis verschwinden. »Am helllichten Tag? Das glaube ich kaum ...«, begann sie und hielt inne, als einer der Yorreiter herangaloppiert kam. Der Jüngling mit der weiß gepuderten Perücke und der lilafarbenen Livree ritt neben der Kutsche her und bedeutete der jungen Frau, das Fenster zu öffnen. Trotz Harriets Protesten folgte sie seiner Aufforderung. »Was liegt denn an, Robert?«
»Die Burg, sie ist schon zu sehen!«, rief er aufgeregt. »Castle Leger.«
Madelines Herz klopfte schneller. Trotz der Schäden, die sie damit dem Hut und der Perücke zufügen würde, steckte sie den Kopf hinaus und spähte in die Ferne.
Das Land stieg deutlich an, und auf einem hohen Fels erhob sich die Burg, schien wie eine Festung aus Granit aus ihm herauszuwachsen. Seine mit Schießscharten und Zinnen versehenen Türme und Wehrgänge zeichneten sich deutlich vor dem bleigrauen Himmel ab. »Großer Gott, wie aus einem Schauerroman!«, keuchte Harriet, die neben der jungen Frau den Kopf aus der Kutsche streckte.
»Unsinn«, entgegnete Madeline, obwohl der Anblick auch ihr ein wenig in die Knochen fuhr. »Das ist nur eine alte Burg. Die aufgegebene Feste, von der Mr. Fitzleger mir berichtet hat.«
»Mir will es eher so scheinen, als sei die ganze Gegend aufgegeben und verlassen worden.«
Die junge Frau ging nicht darauf ein, sondern schaute nur noch in die Ferne. Vom Knarren und Rütteln der Kutsche bekam sie ebenso wenig mit wie vom Murren ihrer Base. Während der Wagen hinaufrollte, rückte die Burg immer näher, und Madeline starrte
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