St. Leger 01 - Der Fluch Der Feuerfrau
zu versperren. Roman hob sein Augenglas und betrachtete den schwarzen Gehrock des Gastgebers spöttisch.
»Bei den Himmeln, wer ist denn gestorben?«
»Niemand. Bis jetzt nicht.«
Ein amüsiertes Lächeln umspielte Romans Lippen. Alle sprangen auf. Hadrian schaute kritisch drein, und sogar Marius trat einen Schritt vor.
Anatole konnte sich denken, dass alle sich noch des Vorfalles bei ihrer letzten Begegnung erinnerten, der Tag, an dem Roman und er einander an die Kehle gegangen waren. Und das nur wegen der Taschenuhr seines verstorbenen Vaters, die eigentlich auf den Sohn hätte übergehen sollen. Doch stattdessen hatte Lyndon sie Roman vermacht. Sein Vetter besaß die Geschmacklosigkeit, diese Uhr jetzt aus der Westentasche zu ziehen, sie aufzuklappen und Anatole einen Blick auf das Bildnis der verstorbenen Mutter zu gewähren.
»Ach du liebe Güte, ich muss mich wirklich entschuldigen, Cousin. Mir scheint, ich bin ein wenig spät dran.«
»Spät?«, entfuhr es Anatole mit erstickter Stimme. »Was, zum Teufel, habt Ihr überhaupt hier verloren?«
»Herije«, seufzte Roman, »diese Frage scheint zu einer ermüdenden Angewohnheit von Euch zu werden. Ich bin natürlich gekommen, weil hier eine Familienfeier stattfindet; denn wenn ich mich recht entsinne, bin ich immer noch ein St. Leger.«
»Ein Umstand, den ich so rasch wie möglich vergessen möchte.«
»Vielleicht sollte ich gerade deswegen Euer Gedächtnis hin und wieder auffrischen.«
Fitzleger eilte herbei und stellte sich zwischen die beiden. »Gentlemen, bitte. Der Streit zwischen Euch muss ein Ende finden. Die St. Legers haben immer zusammengehalten. Master Roman, wenn Ihr bleiben wollt, dann nur, wenn Ihr Euch angemessen aufführt.«
In seiner gewohnt lässigen Art gab dieser zurück: »Aber ja, Sir, gewiss doch.«
Der Pastor wandte sich an den Burgherrn: »Und Ihr, Mylord, denkt bitte an Eure liebe Frau. Ihr wollt sie doch nicht betrüben, indem Ihr es zu einer unschönen Szene kommen lasst.«
Anatole warf einen unsicheren Blick auf Madeline. Sie stand zwischen den Onkeln und Cousins und schaute gleichzeitig neugierig und verwirrt drein. Nein, dachte St. Leger, er wollte seine Frau ganz gewiss nicht betrüben. Gewiss nicht, selbst wenn er dafür mit dem Teufel persönlich tanzen musste.
Er packte Roman am Arm und erklärte ihm so leise, dass kein anderer es hören konnte: »Wenn Ihr bleibt, werdet Ihr Eure giftige Zunge im Zaum halten. Meine Lady weiß nichts von meinem ungewöhnlichen Erbe, und das soll auch noch eine Weile so bleiben. Wehe Euch, wenn Ihr diesem meinen Wunsch zuwider handelt.« Roman sah ihn in gespieltem Erstaunen an. »Aber, lieber Vetter, wie könnte ich je etwas tun, das Euch missfallen würde?«
Anatole misstraute ihm immer noch. Am liebsten hätte er den Cousin mit seinen geistigen Fähigkeiten dorthin zurückgeschleudert, woher er gekommen war. Ja, und damit würde er seine Lady zu Tode erschrecken, und sie würde ihn fortan nur noch als Monstrum ansehen. Roman schob sich an ihm vorbei, begrüßte die anderen Verwandten, und allmählich löste sich die Spannung. Doch als er Madeline erblickte, trat etwas in seine Miene, das nichts mehr mit Spottlust zu tun hatte. Anatole verstand sehr wohl, was dieser Gesichtsausdruck zu bedeuten hatte.
»Lieber Vetter«, begann Roman, ohne den Blick von der Braut zu wenden, »ich hoffe doch sehr, Ihr beabsichtigt, mich Eurer Gemahlin vorzustellen.«
»Madeline«, erklärte der Burgherr steif, »das ist mein Cousin Roman.«
Dieser verbeugte sich elegant und führte ihre Hand an seine Lippen. »Vergebt mir Unwürdigem, Euch nicht früher im Kreise unserer Familie willkommen geheißen zu haben. Wenn ich gewusst hätte, wie viel Schönheit mich hier erwartete, hätte ich Euch viel eher meine Aufwartung gemacht, dessen dürft Ihr versichert sein.«
»Vielen Dank«, entgegnete Madeline verwirrt; eine Wirkung, die Roman stets bei Frauen auslöste. Wie hatte Anatole auch nur für einen Moment annehmen können, dass sie eine Ausnahme bilden würde?
Seine Brust zog sich zusammen, als er mitanhören musste, wie der Cousin seine Frau geradezu mit Komplimenten und Artigkeiten überschüttete.
Anatole hörte all die Dinge, die er ihr schon längst hätte sagen müssen. Wie gern hätte er das getan, stünde ihm nicht immer wieder seine unbeholfene Zunge im Weg. Nun konnte er nur hilflos danebenstehen und sich wie ein Trottel vorkommen.
Er stand kurz davor, Madeline von Roman loszureißen und
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