St. Leger 03 - Die Nacht der Feuerfrau
einen Teppich aus samtenen roten Tränen verwandelt zu sein schien ... Die Winter blieben in Cornwall immer mild, selbst in dieser abgelegenen Küstengegend. Und so blühte ständig irgendwo im Garten irgendetwas. Doch der krönende Mittelpunkt in Deidres Garten, die Rhododendronbüsche, würden erst im Februar wieder knospen. Die jetzt blütenlose Äste ließen den Garten in Valentines Augen als wenig angenehmen Ort für einen Spaziergang erscheinen. Er brachte Kate dazu, ihre Handschuhe anzuziehen, und setzte ihr selbst die Kapuze auf den Kopf - wie er es schon immer getan hatte, seit sie ein kleines Mädchen gewesen war.
»Das ist aber nicht sehr romantisch, Val«, beschwerte sie sich.
Romantisch? Der Arzt riss überrascht die Augen auf. Die Zeit schien noch nicht lange her zu sein, als Kate solche Gedanken ziemlich fremd gewesen waren. Wann immer er ihr aus der Artus-Sage vorgelesen hatte, hatte sie darauf bestanden, dass er die »klebrigen, süßlichen Liebesstellen« zwischen Lancelot und Guinevere übersprang und gleich mit den aufregenden Stellen weitermachte, in denen Köpfe abgeschlagen und Schwerter in Bäuche gestoßen wurden.
Manchmal erschien Kate ihm immer noch wie dass wilde Kind von früher. Doch andere Male, und die kamen immer häufiger vor, hatte sie sich schon wieder ein Stück weit verändert.
Jetzt sah sie ihn so schmachtend an, dass es Valentine etwas unbehaglich wurde. Vielleicht war dieser Spaziergang im Mondschein doch keine so gute Idee. Aber wer hätte ihr schon widerstehen können, als sie ihn zur nächsten Steinbank zog - und das mit der Begründung, sie müsse einen Moment rasten. Davon ließ der Arzt sich aber keinen Augenblick täuschen, denn Kate verfügte die Lebendigkeit und Ausdauer eines Fohlens.
Die Vorstellung, dass sie sich aus Rücksicht auf ihn setzen wollte, verdross ihn einerseits und berührte ihn andererseits sehr.
Er wünschte, das wäre nicht notwendig gewesen, aber er war überaus dankbar, das pochende Knie vom Gewicht seines Körpers befreien zu können. So ließ der Arzt sich mit einem leisen Seufzer auf der Bank nieder und stellte den Stock vor sich. Kate schmiegte sich an ihn und legte die behandschuhten Hände um seinen Arm.
Sie saßen in einem gemeinsamen Schweigen da, wie nur langjährige Freunde es miteinander teilen können. Das Mädchen und der Arzt hatten schon öfter so dagesessen, in den Nachthimmel hinaufgeschaut, die Sternbilder zu bestimmen versucht und sich phantastische Geschichten über die weit entfernte Welt des Firmaments ausgedacht.
Warum erfüllte ihn dann dieser Abend heute mit Traurigkeit?
Wie aus heiterem Himmel fühlte er sich plötzlich uralt, wie ein Greis von zweiundreißig Jahren. Lag es an den abgefallenen Blättern der Rosen auf dem Boden, dass er heute den rasenden Lauf der Zeit so deutlich zu spüren glaubte? Oder hatte die erblühende junge Frau etwas damit zu tun, die sich so dicht an ihn drängte. »Val?«, begann Kate schließlich. »Hm?«
»Hast du etwa vollkommen vergessen, was für einen Tag wir heute haben?«
»St. Waldemar?«, entgegnete er und verkniff sich ein Lachen.
»Nein, das war am fünfzehnten Juli!« Sie drehte den Kopf, um ihn vorwurfsvoll anzusehen.
»Dann kann es aber auch nicht St. Michael sein«, erklärte er mit angestrengter Miene, »denn das ist, glaube ich, auch längst vorbei.«
Kate ließ den Kopf sinken und schlug enttäuscht die Augen nieder. Valentine ertrug es nicht länger, sie so leiden zu sehen. Er legte zwei Finger unter ihr Kinn und hob ihren Kopf, damit sie ihn wieder anschaute. »Natürlich habe ich nicht vergessen, was für ein Tag heute ist, mein Kind. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, und mögest du ihn noch sehr oft begehen.«
Ihre Stimmung besserte sich schlagartig, und sie strahlte über das ganze Gesicht. Der Arzt strich ihr sanft eine gelöste Locke zurück. »Wie kannst du nur für einen Moment annehmen, ich würde den Tag deiner Geburt vergessen? Schließlich habe ich ihn doch bestimmt.« Valentine erinnerte sich noch immer deutlich an den Tag, an dem er feststellte, dass das Waisenkind keine Ahnung hatte, an welchem Tag oder in welchem Jahr sie geboren war. Damals war sie erst ei n paar Monate bei ihnen in Tor recombe gewesen, und am vierzehnten Februar, seinem Geburtstag, war sie vor ihn getreten. Normalerweise wurde dieser Tag mit Festlichkeiten, Geschenken und Glückwünschen erfüllt. Aber als die kleine Kate, nach einem mehr oder weniger sanften Stoß von
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