St. Leger 03 - Die Nacht der Feuerfrau
Effie, zu ihm gekommen war, um ihm ebenfalls zu gratulieren, hatte sie alle Anwesenden mit den wütenden Worten schockiert: »Ich hasse Geburtstage!« Nur Valentine hatte die tiefe Sehnsucht hinter der widerborstigen Fassade gesehen und den Grund dafür erraten. Und sofort eine Lösung für diesen Kummer gefunden ... Jetzt fragte das Mädchen leise: »Val, erinnerst du dich noch, warum du ausgerechnet diesen Oktober tag zu meinem Geburtstag erwählt hast?«
»Natürlich. Weil du an einem solchen Oktobertag nach Torrecombe gekommen bist.«
»Und weil wir uns am selben Oktobertag kennen gelernt haben«, fügte Kate hinzu.
»Ja, deswegen natürlich auch«, stimmte der Arzt zu. Eigentlich hatte er ihr das Geburtstagsgeschenk erst nach dem Abendessen geben wollen, aber plötzlich erschien ihm dieser Moment jetzt, wo sie allein waren, viel geeigneter. Gut möglich, dass dies der letzte ihrer Geburtstage war, an dem er mit Kate allein sein konnte.
Valentine verscheuchte diese trüben Gedanken, kramte in den Taschen seines Mantels, fand endlich das kleine braune Päckchen und reichte es ihr mit einem feierlichen Lächeln.
»Für Euch, Mylady.«
Kate stieß einen spitzen Freudenschrei aus. Sie riss ihm das Geschenk geradezu aus den Händen, was ihn einerseits belustigte, ihm andererseits aber auch nahe ging. Er lag sicher nicht ganz falsch mit seinem Eindruck, dass dieses wilde Mädchen immer noch befürchtete, man könne ihr jedes Geschenk und jede Freude gleich wieder nehmen.
Valentine betrachtete das Mädchen, während sie das Packpapier aufriss, und sein Puls beschleunigte sich bei der Vorfreude auf ihre Reaktion. Trotz ihrer unbändigen, jungenhaften Art liebte Kate Schmuck aller Art, Hauptsache, er glitzerte und funkelte.
Als das Mädchen die kleine Schatulle freigelegt hatte, öffnete sie den Deckel und gab ein absolut weibliches Freudenkreischen von sich. Mit zitternden Fingern nahm sie die goldene Halskette heraus, an der ein prächtiger blutroter Rubin funkelte.
Perlen wären für eine heranwachsende junge Dame sicher ein geeigneteres Geschenk gewesen, aber nicht für eine Halbwilde wie Kate. »Gefällt sie dir?«, fragte der Arzt. »Ob sie mir gefällt?«, keuchte sie. »Val, ich bin absolut hingerissen. Danke, danke, eine Million Mal danke!« Ohne die Halskette loszulassen, schlang sie ihm die Arme um den Hals. Schatulle und Verpackung fielen zu Boden. Valentine lächelte beglückt und legte ihr einen Arm um die Schulter. Aber dafür hatte sie jetzt keine Zeit. Geschmeidig befreite sie sich aus seinem Griff, drückte ihm Kette und Stein in die Hand und verlangte: »Leg sie mir an, bitte.«
»Hier? Jetzt?«, protestierte er lachend. »Vielleicht solltest du besser damit warten, bis wir wieder im Haus sind.« Aber das Mädchen war schon hochgesprungen und öffnete die Verschlüsse ihres Umhangs. »Du holst dir noch den Tod«, wandte der Arzt ein, schwieg dann aber mitten im Satz, als der Umhang zu Boden sank und darunter das Abendkleid zum Vorschein kam, das sie trug.
Einen Moment lang konnte Valentine nur hinstarren und brachte kein Wort hervor. Die Kette wäre beinahe seinen Fingern entglitten. Erst jetzt wurde ihm sein Irrtum bewusst. Er hatte geglaubt, das Mädchen würde bis ans Ende ihrer Tage in Hosen herumlaufen. So elegant wie heute Abend hatte er sie auf jeden Fall noch nie gesehen. Das Kleid aus weißem Seidencrepe mit Chenillespitze saß wie angegossen, und die kurzen Puffärmel betonten die Anmut ihrer Arme.
Der Nachtwind zog an den Falten ihrer Abendgarderobe und offenbarte Kates fraulich gewordene Formen. Und das enge Mieder gewährte mehr als nur eine Ahnung von ihrem hohen, runden Busen.
Valentine blinzelte verwirrt. Mit dem langen schwarzen Haar, das ihre Schultern umwehte, schien sie sich vor seinen Augen in eine Göttin verwandelt zu haben. Er starrte so lange, dass es schließlich selbst dem Mädchen auffiel. Sie hob die Falten ihres Kleids und drehte sich vor ihm im Kreis. »Das ist neu. Effie hat es mir zum Geburtstag geschenkt. Gefällt es dir nicht?«
»Doch, es ist ... sehr schön. Aber es sieht nicht wie auf dem Schnittmuster aus, das du mir gezeigt hast, sondern ...«
Sondern ganz anders. Auf dem Schnittmuster wirkte das Kleid nett und sittsam. Aber das hier ... Kate zuckte die Schultern. »Ach so. Ich habe Mrs. Bell gebeten, mir das Kleid nach dem Schnittmuster zu nähen. Aber sie hat viel zu viel Saum und Rüschen drangesetzt. Ich musste das alles wieder abtrennen. Du
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