ST - New Frontier 5: Ort der Stille
vergessen haben sollten: Ich bin Lord Si Cwan, ein ehemaliger Adliger von Thallon, und es gab einmal eine Zeit, in der ich keinen zweiten Gedanken an diesen Dreckklumpen namens Montos verschwendet hätte – nicht einmal einen ersten Gedanken, um genau zu sein. Aber die Zeiten haben sich geändert. Die Welten im thallonianischen Raumsektor müssen im Interesse der gemeinsamen Sicherheit zusammenhalten. Das betrifft alle Welten, selbst eine so unbedeutende wie Ihre. Da draußen formieren sich neue Mächte, die nichts lieber täten, als Sie unter ihrem Stiefelabsatz zu zertreten. Zum Beispiel die Erlöser. Diese religiösen Fanatiker machen sich gegenwärtig im M’Gewn-Sektor breit, und das Raumschiff
Excalibur
wurde dort bereits in einen Konflikt hineingezogen. Und nun wurden wir vom Führungsrat Ihrer Welt zu einem Besuch aufgefordert. Zumindest scheint es so. Haben Sie uns eingeladen oder nicht?«
Fr’Col kratzte sich nachdenklich am Kinn. Dann schien ihm plötzlich ein Licht aufzugehen. »Ich glaube, ich erinnere mich dunkel daran. Es war Gothil, wenn ich mich nicht täusche. Bevor er letzte Woche verstarb.«
»Wunderbar. Aber Sie sind jetzt hier. Wenn Sie alles sind, was noch vom Führungsrat übrig ist, und Sie Hilfe benötigen, dann starten Sie eine Kampagne, damit Ihr Volk neue Vertreter wählen kann. Und wenn Sie geeignet sind, selbst die Führung zu übernehmen, dann tun Sie es. Entscheiden Sie sich und lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, nach dem Vorbild der Vereinten Föderation der Planeten eine Allianz zu gründen, die die Welten, die einst dem Thallonianischen Imperium angehörten, einen soll. Die Herrschaft der Thallonianer existiert nicht mehr und kann kleine Welten wie Ihre nicht mehr beschützen. Also ist es jetzt an der Zeit, neue Bündnisse zu schmieden, die das nächste Jahrhundert und noch viel länger überdauern werden. Haben Sie verstanden, was ich gesagt habe, Fr’Col?«
»Natürlich habe ich Sie verstanden. Sie müssen mich nicht anschreien.«
Si Cwan wollte erwidern, dass er den alten Mann nicht angeschrien hatte, doch dann erkannte er, dass er es sehr wohl getan hatte. Seine Stimme war mit zunehmender Frustration lauter geworden. Er räusperte sich. »Ich muss mich entschuldigen, Fr’Col.«
»Ich will Ihre Entschuldigung nicht«, sagte Fr’Col mit überraschender Heftigkeit. »Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich irgendetwas von Ihnen will. Hier auf Montos brauchen wir keine Allianzen oder Bündnisse, Botschafter. Wir hatten gelegentlich mit anderen Völkern zu tun. Wir haben hier und dort etwas Handel getrieben, aber es sieht nicht so aus, als hätten wir dadurch in irgendeiner Weise profitiert. Wir haben wertvolle Mineralien angeboten und dafür nutzlosen Schrott erhalten. Dinge, die die ehemaligen Mitglieder des Rates für nützlich hielten, für die wir aber gar keine richtige Verwendung haben. Bisher sind wir sehr gut allein zurechtgekommen, und niemand hat uns behelligt.«
»Weil die Thallonianer Sie beschützt haben.«
»Das sagen Sie. Aber Sie könnten sich auch jeden Morgen auf den höchsten Berg in dieser Region stellen, die Arme schwenken und dann behaupten, wir hätten es den Thallonianern zu verdanken, dass die Sonne aufgegangen ist, ohne dass die Behauptung dadurch wahr wird. Sie verstehen, was ich damit sagen will?«
Es kostete Si Cwan einige Mühe, nicht zu grinsen. Offenbar besaß der alte Mann doch noch einen Rest von Verstand und Witz. »Ja, ich verstehe.« Dann wurde er wieder ernst. »Aber deswegen sollte man nicht jede Behauptung kategorisch ablehnen. Gefahren pflegen sich nicht mit unmissverständlichen Warnungen anzukündigen. Gefahren sind irgendwann da, und wer nicht auf sie vorbereitet ist, hat recht unangenehme Konsequenzen zu tragen.«
Fr’Col schien darüber nachzudenken und strich sich über den dünnen Bart. Dann schlug er den dreieckigen Stein abrupt wie einen Hammer auf den Tisch. »Wir werden das Für und Wider Ihrer Argumente abwägen!«, gab er bekannt. »Doch zuvor muss ich mich mit meinem Volk beraten.«
»Natürlich. Vielleicht erhalten wir die Gelegenheit, uns an das Volk …«
Aber Fr’Col hörte ihm gar nicht mehr zu. Er ließ sich von seinem Stuhl rutschen und kehrte zum Ausgang zurück. Kurz darauf hatte er den Ratssaal verlassen.
»Das lief ja hervorragend«, sagte Si Cwan nach einer Weile.
»In welcher alternativen Realität soll das hervorragend verlaufen sein?«, erkundigte sich Kebron.
»Sie haben keine
Weitere Kostenlose Bücher