ST - TOS 101: Feuertaufe: McCoy - Die Herkunft der Schatten
Und wie weit ist es von dort zum oberen Piedmont Highway? Weitere fünf Meilen? Und dann hätte Benny acht Meilen Richtung Norden laufen müssen, nur um wieder auf die Strecke zurückzugelangen, auf der er sich ursprünglich befunden hatte. Das sind über zwanzig Meilen, und es war bereits sechs Uhr abends. Hätte Benny etwa die ganze Nacht hindurch marschieren sollen? Und was wäre wohl deiner Meinung nach passiert, wenn ihn am nächsten Morgen jemand schlafend am Rand der Church Street oder der Merrysville Road vorgefunden hätte? Hätte Bo Bartell ihn entdeckt, hätte er ihn wahrscheinlich an Ort und Stelle erschossen.«
»Er hätte einfach von Anfang an um Hayden herumgehen sollen«, beharrte Phil, der sich noch immer weigerte, nachzugeben.
»Soll Benny um jede Stadt herumgehen, an der er unterwegs vorbeikommt?«, wollte McCoy wissen. »Straßen führen nun einmal durch Städte. Und selbst wenn das nicht so wäre, ist Benny immer noch ein Bürger dieses Landes, der nichts weiter getan hat, als eine Straße entlangzulaufen und sich um seinen eigenen Kram zu kümmern.«
»Und damit hat er dafür gesorgt, dass man ihn beinahe erschossen hätte«, gab Phil zu bedenken. »Wäre das etwa besser gewesen? Wenn sie ihn getötet hätten und Bo Bartell dafür im Gefängnis gelandet wäre?
»Du lässt es so klingen, als sei es Bennys Schuld gewesen, dass Billy Fuster mit einem Wagenheber auf ihn losgegangen ist«, sagte McCoy. »Als wäre es seine Schuld, dass Bo Bartell mit einem Gewehr auf ihn gezielt hat.« Er atmete tief ein und versuchte, sich zu beruhigen. Dann stand er langsam auf, sah seinem Freund direkt ins Gesicht und sagte: »Du warst nicht dort, Phil. Aber ich war dort und Lynn auch. Ich habe mit Benny geredet und seine Wunden behandelt, die ihm nur deswegen zugefügt wurden, weil er eine Straße entlangging. Es war nicht seine Schuld. Ihm wurde großes Unrecht getan, und ja, es hätte sogar noch schlimmer kommen können.«
Phil erwiderte nichts und es herrschte einen Moment Stille. Auf einmal wurde McCoy klar, wo er sich gerade befand,
wann
er sich befand. Vermutlich war diese totale Ablehnung, die sein Freund an den Tag legte, das Ergebnis seiner Erziehung. McCoy hatte immer geglaubt, dass Engstirnigkeit in erster Linie eine erlernte Verhaltensweise war, auch wenn sie sich in manchen Fällen natürlich entwickelt haben mochte. Doch selbst wenn er den Grund für Phils Rassismus nachvollziehen konnte, selbst wenn er einen Streit mit ihm vermeiden wollte, hielt er dennoch an dem alten Sprichwort fest, das besagte, dass es für den Triumph des Bösen ausreichte, wenn die Guten nichts taten. Wenn McCoy Phils Verhalten entschuldigte oder gar ignorierte, stimmte er ihm stillschweigend zu. Das konnte er einfach nicht tun.
»Hör zu«, begann McCoy. »Wenn du dir die Leute hier in Hayden mal genauer ansehen würdest, fändest du wesentlich mehr Unterschiede zwischen ihnen als zwischen dir und Benny.« Phil schnaubte nur verächtlich. »Ich bin Arzt«, fuhr McCoy unbeirrt fort. »Ich kenne mich mit solchen Dingen aus.« Als Phil immer noch nicht antwortete, sprach McCoy einfach weiter. »Lynn«, sagte er leise und hoffte, dass sie ihrem Mann dabei helfen konnte, zu erkennen, wie falsch er mit seinen Überzeugungen lag. »Erzähl Phil, wie es war.«
Lynn schaute betreten auf ihre Hände in ihrem Schoß. McCoy dachte schon, sie würde nichts sagen, doch dann wandte sie sich an Phil. »Es erschien mir nicht sehr christlich.«
»Jetzt hast du also auch etwas für Farbige übrig«, erwiderte Phil.
»Phil«, keuchte Lynn. Dann stand sie auf und lief aus dem Raum.
Phil starrte McCoy vom anderen Ende der Küche aus an. Ihre Differenzen schienen zwischen ihnen in der Luft zu hängen und sie fast schon gewaltsam voneinander fernzuhalten. Phil war ihm jetzt schon seit so vielen Jahren ein guter Freund, deshalb wollte McCoy diesen Streit und diesen ganzen Abend einfach nur noch hinter sich lassen. »Ich sollte besser gehen«, meinte er. »Sag Lynn, es tut mir leid, dass ich ihr das Abendessen verdorben habe.« Er ging zur Tür und öffnete sie.
»Len«, sagte Phil, doch dann schüttelte er nur den Kopf.
»Dunkelhäutige und hellhäutige Menschen sind alle gleich«, sagte McCoy sanft. »Manche sind gut, manche nicht. Und wenn es dort draußen im Universum irgendwo blaue Menschen geben sollte, dann trifft das auch auf sie zu.« Phil sah ihn an, erwiderte aber nichts.
McCoy trat durch die Tür und ging
Weitere Kostenlose Bücher