Staatsanwalt sucht Polizist
Schlichtweg-Dünn, das ist gut, dass Sie mir das sagen. Allerdings lässt das Gesetz hier leider keine Ausnahme zu. Wer sich an einer Schlägerei beteiligt, braucht nicht einmal Vorsatz für die Folgen, geschweige denn, dass er es selbst getan haben muss. Er wird als Beteiligter genauso für den Tod und den Verlust des Sehvermögens verantwortlich gemacht, wie derjenige oder diejenigen, die das verursacht haben. Der Gesetzgeber will die Gefährlichkeit an solchen Ausschreitungen betonen und bestrafen.“
„Wird er ins Gefängnis kommen?“, fragte Frau Schlichtweg-Dünn fast ängstlich.
Ich öffnete die Akte erneut und sah, dass Herr Schlichtweg bereits einige Gewaltdelikte auf dem Kasten hatte. „Ich weiß es nicht, Frau Schlichtweg-Dünn. Bei seinem Vorstrafenregister ist das durchaus möglich. Wenn ich den Fall vor Gericht vertrete, dann werde ich auf jeden Fall eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung fordern. Aber das liegt natürlich letztendlich nicht in meiner Hand.“
„Sind Sie denn nächste Woche gar nicht vor Gericht?“
„Das wird mein Chef entscheiden. Manchmal wird die Akte kurzfristig an einen Kollegen weitergereicht.“
„Warum?“ Ratlos sah mich die dünne, geschundene Frau an. Ich zuckte mit den Schultern.
„Ich habe keine Ahnung, warum sich die Staatsanwaltschaft für diesen Weg entschieden hat. Ich selbst bin auch kein Fan von diesem System, unter uns gesagt.“
Die Frau nickte und erhob sich. Mit einem weichen, schweißnassen Händedruck verabschiedete sie sich. Ich verließ hinter ihr mein Büro, schloss ab und ging mir die Hände waschen. Danach arbeitete ich nur noch drei Akten durch und begab mich dann nach Hause. Ich war mit Julia verabredet und wollte nicht zu spät kommen.
Ich war gerade drin und hatte mich umgezogen, da klingelte es auch schon an meiner Tür.
„Hi, Julia! Schön, dass du auf ‘n Kaffee vorbeischaust.“ Julia überreichte mir ihre kleine Tochter Marie und zog sich die Jacke aus. Dann folgte sie mir ins Wohnzimmer. Ich hatte bereits Maries Lieblingskekse hingestellt und bot ihr sogleich einen an. Freudig grinsend offenbarte sie mir ihre beiden Wangengrübchen und grabschte nach dem Keks. Während die Hälfte davon mit Speichel aufgeweicht auf meinem echten Perserteppich landete, schenkte ich Julia eine Tasse Tee ein. Sie trank keinen Kaffee. Kaum hatte sie sich hingesetzt, als sie auch schon wieder hektisch aufsprang und den Keksmatsch vom Teppich kratzte.
„‘Tschuldigung, Marten! Ist gleich wieder weg.“
„Ach was, macht nix. Marie darf das … Ist übrigens die einzige Lady, die das darf“, fügte ich mit einem charmanten Lächeln hinzu.
Julia feixte. „An dir ist wirklich ein Papa verloren gegangen. Du solltest es dir vielleicht doch noch mal überlegen und Kinder kriegen. Du kennst doch sicherlich auch ein paar Lesben, die für eine Samenspende und einen Papa empfänglich sind.“
„Nee, lass nur. Ich bleibe lieber Patenonkel. Oder ich warte, bis Nico zwei Kinder gezeugt hat.“
„Du könntest auch ein paar Kinder adoptieren.“
„Genau, das ist ’ne gute Idee! Aber erst brauche ich einen Mann an meiner Seite.“
Wir quatschten noch eine ganze Weile, bis Marie quengelig wurde und sich Julia mit ihr verabschiedete, um sie zu Hause ins Bett zu legen.
Ich griff unterdessen zum Telefonhörer. Heute war Mittwoch und ich hatte mir fest vorgenommen, Nico anzurufen. Ich wählte seine Handynummer.
„Krohninger!“
Gott, diese männliche Stimme! „Hi, Nico! Hier ist Marten. Wie geht es dir?“
„Hey, Marten! Das ist aber nett, dass du anrufst. Aber übers Handy ist das doch viel zu teuer. Ich gebe dir mal eben meine Festnetznummer oder du mir deine. Egal.“
Er gab mir seine und ich rief ihn zu Hause an. Bei seiner Anke! Anke, nein danke! Das reimte sich – ist ja lustig. Ich sollte Dichter werden, auch wenn es keinen Sinn ergab.
„Na, und was macht die Haussuche?“, fragte ich Nico, sobald er am Apparat war.
„Wir waren heute in Hamburg und haben uns mit einem Finanzmakler getroffen. Der hat uns gleich unmissverständlich klargemacht, dass wir bessere Chancen und einen niedrigeren Zinssatz bekommen, wenn wir verheiratet sind. Daher haben wir uns gleich einen Termin für die Trauung geben lassen. Müssen nur noch ein paar Papiere zusammentragen. Der Rest ist Formsache.“
Ich schluckte. Oje, Traumprinz adé!
„Schön!“, lächelte ich tapfer. Mehr fiel mir dazu nicht ein.
„Und, wie sieht’s mit dir aus. Wann heiratest
Weitere Kostenlose Bücher