Staatsanwalt sucht Polizist
vergeben.
* * *
Drei Tage später saß ich in meinem bescheidenen Büro und arbeitete an einer dicken Akte, als es sachte an die Tür klopfte.
„Herein!“
„Guten Tag, sind Sie Staatsanwalt Kruse?“ Eine junge Frau stand vor mir und wirkte total eingeschüchtert.
Als ich nickte, nahm sie ihre Sonnenbrille ab und offenbarte ein heftig blaues Auge.
„Ach, du meine Güte! Was ist denn mit Ihnen passiert?“
Ich lief um meinen Schreibtisch herum und führte die junge Frau zu einem Stuhl.
„Das war …“, unerwartet fing sie an zu schluchzen. Ich hasste solche Situationen, ich hasste meinen Job, manchmal. Das Leid anderer zu ertragen, war nicht mein Ding. Und trösten auch nicht. Zumindest nicht Wildfremde.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragte ich behutsam.
Sie schniefte und ich reichte ihr ein Taschentuch. Sie putzte sich geräuschvoll die Nase und lächelte mich dann schwach an. „Also, es ist so …“, begann sie leise, „nächste Woche ist der Prozess meines Mannes … er war im Sommer an einer Schlägerei beteiligt, wobei ein junger Mann sein Augenlicht verlor und ein weiterer getötet wurde. Sie haben mich als Zeugin geladen und bisher hatte ich auch nicht ausgesagt, aber seit ein paar Wochen, seitdem mein Mann mit diesen komischen Typen abhängt, ist er noch brutaler geworden und hat angefangen, die Kinder und mich zu schlagen. Er setzt mich unter Druck, dass ich auf keinen Fall vor Gericht gegen ihn aussagen darf.“
„Wie heißen Sie denn?“
„Maria … Maria Schlichtweg-Dünn..
Ach, du gute Güte! Wie konnte man denn solch einen Doppelnamen wählen? Die Frau musste bei der Eheschließung geistig umnachtet gewesen sein. Ich lächelte sie freundlich an und ging um den Schreibtisch herum. Auf Anhieb zog ich die richtige Akte heraus und überflog den Vorfall. Stirnrunzelnd blickte ich sie an.
„Ähm … Frau Schlichtweg-Dünn! So, wie ich das sehe, haben Sie vor der Polizei ausgesagt, dass Ihr Mann bei Ihnen zu Hause und nicht in der Kneipe war. Allerdings habe ich mir auch notiert, dass Sie sich in Widersprüche verstrickt hatten. Auch der Kollege von der Polizei geht von einer Lüge aus. Immerhin gibt es sechs Augenzeugen, die ihren Mann gesehen haben wollen. Möchten Sie mir noch etwas mitteilen? Bedenken Sie aber bitte, dass Sie als Ehefrau des Angeklagten keine Aussage machen müssen. Sie müssen weder ihn noch sich selbst belasten. Und alles, was Sie mir sagen, kann ich vor Gericht verwenden.“
Ihre Schultern sackten in sich zusammen. „Ich weiß! Aber ich will aussagen. Es ist nur …“
„Was?“, fragte ich freundlich und geduldig nach.
„Er hat mir gedroht … wenn ich gegen ihn aussage, wird er mir die Kinder wegnehmen … oder schlimmeres.“ Entmutigt ließ Frau Schlichtweg-Dünn den Kopf hängen.
„Das kann Ihr Mann gar nicht. Leider ist das ein beliebtes Drohmittel. Sie sind die Mutter und in Deutschland zählt das glücklicherweise noch was. Sie müssen sich schon einiges zu Schulden kommen lassen, bevor man Ihnen die Kinder wegnimmt. Und Ihr Mann kann das schon gar nicht. Machen Sie sich keine Sorgen!“ Ich nahm mir einen Stift zur Hand und machte mir Notizen. „Wo befindet sich Ihr Mann jetzt?“
„Zuhause. Er ist seit ein paar Monaten arbeitslos. Trunkenheit am Arbeitsplatz. Leider hat er noch nichts Neues gefunden. Bevor er diese Typen aus der Nachbarschaft kennengelernt hatte, war er eigentlich ganz nett und anständig. Aber seitdem trinkt er nur noch und schlägt abwechselnd die Kinder und mich.“
„Das müssen Sie sich nicht gefallen lassen. Wenn Sie wollen, rufe ich gleich mal beim zuständigen Polizeikommissariat an. Die werden Ihren Mann abholen und in Gewahrsam nehmen. Nach dem Gewaltschutzgesetz können Sie Ihren Mann sogar bis zu zwanzig Tage von Ihrer Wohnung wegweisen lassen. Sie müssen seine Gewaltakte nicht ertragen und Ihre Kinder schon gar nicht. Sie haben auch die Möglichkeit, mit Ihren Kindern in ein Frauenhaus zu gehen. Die Adressen sind absolut anonym, nicht einmal die Polizisten wissen, wo sich diese befinden. Ihr Mann wird Sie daher nicht aufspüren können..
Schüchtern nickte Frau Schlichtweg-Dünn. Ich griff zum Telefonhörer und schilderte dem zuständigen Polizisten die Situation. Nach meinem Telefonat erklärte mir Frau Schlichtweg-Dünn, dass ihr Mann an der Schlägerei beteiligt gewesen war, laut seiner vertraulichen Aussage aber niemanden schwer verletzt oder gar getötet hatte.
„Tja, Frau
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