Staatsanwalt sucht Polizist
verabschiedete sich. „Nichts für ungut, Richter Müller.“
Jürgen hob zum Gruß die Hand und sah mich fragend an. „Lass uns den Abend genießen, verwitweter Richter Müller …“
Jürgen verstand und knuffte mir in den Oberarm. „Danke. Du bist ein echter Freund.“
Wir betraten den Ballsaal und wurden von den Menschenmassen fast erschlagen. Ich glaube, fast die ganze Belegschaft war anwesend. Hamburgs Verbrecher hatten freie Bahn heute Nacht. Wir suchten nach unserem Tisch und stellten mit Schrecken fest, dass man uns ausgerechnet zu Nico und Annemarie gesetzt hatte. Genervt verdrehte ich die Augen. Ich begrüßte Annemarie verhalten, nickte Nico zu und setzte mich.
„Hey, Marten, du hier?“, wurde eine wohlbekannte Stimme hinter mir laut. Mein Herz machte einen Aussetzer und ich spürte die Hitze in meine Wangen kriechen, als ich mich langsam umdrehte.
„Thorsten! Schön, dich zu sehen.“ Ich reichte ihm die Hand. „Wo ist …?“
Thorsten winkte ab und beugte sich auf seinem Stuhl nach vorne. „Markus hasst solche Veranstaltungen. Er ist zu Hause geblieben.“ Er sah mir tief in die Augen und ließ meine Hand gar nicht mehr los. „Das bedeutet, wir zwei haben heute viel Zeit, uns miteinander zu unterhalten“, fügte er leise hinzu.
Ich lächelte ihn an.
Neben mir tauchte ein Polizist auf, der bedauernd auf seine Tischkarte schaute. „Ach, wie schade. Jetzt hätte ich so gerne bei dir gesessen, Tom!“ Er blickte zum Nachbartisch und zuckte entschuldigend mit den Schultern.
Der anvisierte Tom winkte ab. „Dann quatschen wir halt nachher weiter, Alex.“
„Ich würde mich bereit erklären, zu tauschen.“ Thorsten erhob sich und bot seinen Platz an.
Alex hob erstaunt die Augenbrauen. Dann lächelte er. „Wirklich?“
„Klar, ist doch für ‘nen Kollegen!“
Alex zog seinen Stuhl vom Tisch weg und hielt ihn Thorsten hin. „Prima! Dann bedanke ich mich mal.“
„Kein Problem. Gern geschehen.“
Alex setzte sich an den Nachbartisch und war gleich darauf in ein Gespräch mit Tom vertieft.
Zufrieden ließ sich Thorsten neben mir auf den Stuhl fallen. „Der Abend verläuft immer besser, findest du nicht?“
Ich nickte.
Jürgen nahm neben Thorsten Platz und bestellte für Klaus und sich einen Weißwein. „Ich nehme auch einen“, rief ich dem Kellner zu.
„Ich auch“, hob Thorsten die Hand.
„Du bist aber mutig, alleine auf einen Ball zu gehen“, begann ich vorsichtig ein Gespräch mit Thorsten, während ich die bohrenden Blicke von Nico spürte. Ich versuchte, sie zu ignorieren.
„Ach was, sind doch alles Kollegen hier. Der Ball ist immer so nett. Das Essen hervorragend und ich tanze so gerne. Das lasse ich mir nie entgehen.“
„Obwohl Markus nicht mitkommt?“
„Das erste Mal vor drei Jahren war er dabei, aber er fand den Abend so ätzend, dass er nur schlechtgelaunt herumsaß und mir den Spaß verdorben hat. Seither nehme ich ihn nicht mehr mit. Kann keine Spaßbremse gebrauchen.“
„Verstehe ich … sehr gut, sogar.“
Nico versuchte, meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, doch ich hatte einfach keine Lust, zwischen ihm und seiner Frau einen Spagat hinzulegen. Annemarie war zwar ganz nett, aber sie hatte noch nie zu den Menschen gehört, mit denen ich mich gerne abgegeben hatte.
„Marten, wir haben dich neulich in einer Fernsehsendung gesehen. Kann das sein? Hast du deinen sicheren Job als Staatsanwalt an den Nagel gehängt?“, sprach Annemarie mich an.
„Ich bin nur für ein Jahr beurlaubt. In dieser Zeit bin ich beim Fernsehen. Das stimmt! Ich wusste gar nicht, dass du dich für diese Gerichtssendungen interessierst, Annemarie. Soweit ich mich erinnere, hast du dich immer über diese Art der Fernsehsendung lustig gemacht.“
Annemarie lächelte. „Stimmt. Eigentlich sind die ja auch Quatsch. Aber jetzt, wo ich vollberuflich Mutter bin, schaue ich doch ab und zu mal nachmittags fern. Was liegt da näher, als ein bisschen etwas über die Juristerei zu sehen.“ Annemarie drehte sich zu Nico um und gab ihm einen Kuss auf den Mund. „Und Nico guckt mit, nicht wahr? Er liebt deine Sendung!“
„Aha!“ Verhalten lächelte ich ihn an, doch er erwiderte mein Lächeln nicht. Mit finsterer Miene saß er am Tisch und schwieg. Doch das schien seine Frau gar nicht zu bemerken. Ich jedoch hatte keine Lust, mir die gute Laune verderben zu lassen und wendete mich wieder Thorsten zu.
Plötzlich legten sich von hinten zwei eiskalte Hände über meine Augen.
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