Staatsverschuldung
der Währungsunion das Wechselkursrisiko, wenn sie in Staatsanleihen eines anderen Mitgliedstaats investieren. Bei flexiblen Wechselkursen muss man als Gläubiger eines fremden Landes damit rechnen, dass die Währung des betreffenden Landes abwertet – wer diesem Land Geld in dessen Währung geliehen hat, erhält dann in der eigenen Währung weniger Geld zurück.
Ein einfaches Beispiel macht diesen Punkt deutlich: Ein Europäer leiht einem Amerikaner 100 Dollar, die er zuvor zu einem Wechselkurs von 1:1 (ein Dollar entspricht einem Euro) umgetauscht hat. Der Amerikaner schuldet dem Europäer 100 Dollar, die dieser bei Rückzahlung wieder in Euro umtauscht. Wertet der Dollar nun ab, beispielsweise auf 1:0,5 (für einen Dollar bekommt man nun nur noch 50 Euro-Cents), dann erhält der Europäer für die geliehenen 100 Dollar, wenn er diese nach Rückgabe in Euro umtauscht, nur 50 Euro. Sein wechselkursbedingter Verlust beträgt 50 Euro.
Dieses
Wechselkursrisiko
lassen sich ausländische Investoren normalerweise bezahlen, indem sie von dem risikobehafteten Land einen höheren Zinssatz verlangen. Entfällt aufgrund der Einführung einer gemeinsamen Währung dieses Wechselkursrisiko, so entfällt auch dieser Zinsaufschlag. Das Land kann sich dann günstiger, zu geringeren Kreditzinsen, bei Investoren aus anderen Staaten der Währungsunion verschulden. Der niedrigere Preis für Staatsverschuldung, der durch den Wegfall des Wechselkursrisikos in der Währungsunion entsteht, erhöht den Anreiz, diese Verschuldung auszubauen.
Der Wegfall des Wechselkursrisikos führt außerdem über einen weiteren Kanal zu einem Anstieg der Kreditaufnahme: Die gemeinsame Währung schafft einen gemeinsamen Kapitalmarkt für alle an der Währungsunion beteiligten Staaten. Statt auf denkleineren nationalen Kapitalmarkt beschränkt zu sein oder aber höhere Zinsen aufgrund des Wechselkursrisikos zu zahlen, können die Mitgliedstaaten dadurch auf ein wesentlich größeres Kapitalangebot zurückgreifen. Die Finanzierungskosten der Staatsverschuldung sinken dadurch weiter.
Allerdings geht diese Ausweitung der Kapitalaufnahme unter Umständen zulasten der anderen Länder: Erhöht ein Land seine Kreditaufnahme, so kann diese zusätzliche Nachfrage nach Kapital zu steigenden Zinsen für die Union als Ganzes führen. Die anderen Mitgliedstaaten müssen damit ebenfalls höhere Zinsen für ihre Neuverschuldung zahlen. Wenn also Land A in der Währungsunion höhere Schulden macht, kann das zu steigenden Zinsen führen, die dann auch Land B zahlen muss. In der Literatur wird dies als externer Effekt bezeichnet.
Auch aus der Tatsache, dass in einer Währungsunion die Geldpolitik der Zentralbank nicht mehr der Kontrolle des einzelnen Mitgliedstaats unterliegt, kann Druck zur Aufnahme höherer Schulden entstehen. Da ein Land ohne eigene Zentralbank seine Staatsfinanzen in keinem nennenswerten Umfang über einen Anstieg der nationalen Inflationsrate erhöhen kann, ist es gezwungen, entweder die Steuern zu erhöhen, die Ausgaben zu senken oder aber die Schulden anwachsen zu lassen. Oft ist eine Steuererhöhung oder Ausgabensenkung für die Regierung politisch nicht opportun, weil sie deren Wiederwahl gefährdet. Ohne Währungsunion bestand der Ausweg aus diesem Dilemma darin, über eine Geldmengenerhöhung der nationalen Zentralbank die Inflationsrate zu erhöhen. In einer Währungsunion bleibt dagegen nur noch der Ausweg über höhere Verschuldung. Dies vielleicht verbunden mit der Hoffnung, dass die für die gemeinsame Geldpolitik zuständige gemeinsame Zentralbank irgendwann die Inflationsrate erhöht. Dies kann (und wird) jedoch auf den Widerstand der stabilitätsorientierten Mitgliedstaaten stoßen, die Wert auf eine niedrige Inflationsrate legen.
Ein weiterer Kanal, der die Anreize zur Verschuldung in einer Währungsunion erhöhen kann, sind die Erwartungen eines
Bailouts.
Dahinter steht die Überlegung, dass die Mitglieder einer Währungsunion es aus politischen und ökonomischenGründen nicht zulassen werden, dass eines ihrer Mitglieder insolvent wird. Im Fall einer Schuldenkrise wird man diesem Land beistehen. Die Erwartung eines solchen Bailouts führt dazu, dass das betreffende Land sorgloser mit seiner Verschuldung umgehen kann, da es auf die Hilfe der Union hofft, wenn es zu einer Schuldenkrise kommt. Zugleich werden auch die Kapitalmärkte großzügiger Kredite an solche Staaten vergeben, wenn sie erwarten, dass bei einer drohenden Insolvenz
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