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Stachel der Erinnerung

Stachel der Erinnerung

Titel: Stachel der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Henz
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zurück.
    Tessa wischte sich mit dem Unterarm über das Gesicht. Was tat er da um Himmels willen? Sie blieb stehen und wartete, was weiter geschehen würde.
    Nach einigen Minuten huschten zwei Marder mit langen, buschigen Schwänzen über die Terrasse und machten sich über das Mahl her. Offenbar hatten sie bereits in der Nähe darauf gewartet. „Dafür braucht er also das Katzenfutter“, dachte sie kopfschüttelnd. Für die kleinen Räuber kaufte er Futter, während seine Gäste einen Kniefall machen mussten, wenn sie frisches Obst und Joghurt haben wollten. Ein größerer Marder tauchte von der anderen Seite auf und die beiden kleinen zogen sich mit einigen Fleischbrocken ein Stück zurück, ohne jedoch ganz zu verschwinden. Der Treffpunkt war also kein Geheimtipp in der Marderszene.
    Nick Dayton sah ihnen mit vor der Brust verschränkten Armen zu, während sich Tessa abwandte und zur Hintertür ging. „Wenigstens bekommen die Tierchen ihr Frühstück pünktlich“, dachte sie mit Galgenhumor.
    Ein nicht unberechtigter Gedanke, denn als sie nach dem Duschen im Frühstücksraum auftauchte, waren bereits einige Tische besetzt, allerdings herrschte auf der Anrichte gähnende Leere.
    Da weder von Berit noch von Hendrik oder seinem Team jemand zu sehen war, setzte sich Tessa alleine an einen Tisch. Automatisch blickte sie auf die Uhr an der Wand. Zehn vor acht. Sie sah auf ihre Swatch. Zwölf nach acht. Langsam runzelte sie die Stirn und fixierte die Zeiger der Wanduhr. Nach fünf Minuten hatte sie Gewissheit. Diese Uhr würde in alle Ewigkeit zehn vor acht anzeigen.
    Sie unterdrückte ein Lächeln und versuchte, verärgert zu sein, was ihre jedoch nicht gelang. Der Mann hatte Chuzpe, das musste man ihm lassen. Nichtsdestotrotz brauchte sie Kaffee. Sie stand auf und schlenderte zur offen stehenden Küchentür.
    „Ich weiß, dass es noch immer nicht acht ist, aber wenn ich nicht sofort Kaffee bekomme, werde ich den Tag nicht erleben, an dem diese Uhr acht zeigt“, sagte sie laut und auf Deutsch, als sie ihn vor dem Herd hocken sah.
    „Die Thermoskannen sind fertig, sie müssen nur mehr auf die Anrichte. Aber der Herd spinnt mal wieder“, entgegnete er ohne sich zu ihr umzudrehen. „Sie können sie raus tragen.“
    Tessa hob die Brauen. „Danke. Freut mich, dass Sie mich für kompetent halten.“
    „Sie können auch warten, bis ich fertig bin, wenn es unter Ihrem Niveau ist. Allerdings weiß ich nicht, wie lange es dauern wird.“
    Tessa nahm die beiden silbernen Thermoskannen. „In meinem nächsten Leben werde ich Marder. Da krieg ich einen besseren Service.“
    Jetzt drehte er sich doch zu ihr um. In der Hand hielt er einen Gasanzünder. „Was?“
    „Sie kümmern sich um wildlebende Marder besser als um zahlende Gäste.“
    Einen Moment lang sah er sie an, dann zuckte er mit den Schultern. „Schon möglich.“
    „Und woran liegt das?“
    „Weil ich mit Mardern keine Konversation darüber führen muss, ob ihnen mein Angebot zusagt oder nicht.“ Er beugte sich wieder über die geöffnete Backrohrtür.
    Tessa trug die Thermoskannen zur Anrichte und füllte eine Tasse mit heißem, schwarzem Kaffee. Für den Augenblick war ihr Tag gerettet. Die anderen Gäste schlossen sich dieser Ansicht allerdings nicht an, und als Nick schließlich verkündete, dass der Herd nicht funktionierte und es deshalb weder Brötchen noch Eier gab, erhob sich allgemeines Gemurmel des Unmuts.
    Ohne darauf zu achten, stellte er zwei Obstkörbe, eine Kanne Orangensaft und ein Tablett mit Joghurtbechern auf die Anrichte. Dann folgten die obligate Wurst-Käse-Platte und die Dose mit Knäckebrot.
    Tessa wartete bis Viertel vor neun, dann ging sie auf ihr Zimmer. Sie überlegte, ob sie Berit anrufen sollte, aber wenn sie mit den anderen am letzten Abend gefeiert hatte, würde sie ihren Schlaf brauchen.
    Also schaltete sie ihren Laptop ein und legte den Chip der Digicam ein. Die Fotos vom Schiff ließen sie sofort wieder in eine andere Welt eintauchen. Für wen war es wohl gebaut worden? Für wen hatte man silberne Fesseln geschmiedet? Ein aristokratischer Verbrecher? Oder bloße rituelle Gegenstände, die ihrer Bestimmung nicht zugeführt werden konnten, weil das Schiff im ewigen Eis verschwand? Und wie sollte das geschehen sein? Eine Lawine?
    Tessa rieb sich nachdenklich die Stirn. Oder diente das Schiff als Tempel? Als Andachtsstätte? Davon war zwar nichts bekannt, aber vielleicht hatten die Menschen, die hier lebten, völlig neue

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