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Stachel der Erinnerung

Stachel der Erinnerung

Titel: Stachel der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Henz
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abfinden können. Ich hätte viel zu tun, wenn ich sie alle mit ihren verstorbenen Liebsten zusammenbringen wollte. Ich bin hierher gekommen, weil ich eine ungeheure negative Kraft gespürt habe, einen Sog, der die gesamte Menschheit vernichten kann, wenn ihr nicht Einhalt geboten wird. Weil ich euch und die anderen warnen will. Aber so wie es aussieht, glaubt mir ohnehin keiner.“
    Sie ging zum Fenster und sah hinaus. „Aber sie werden es am eigenen Leib spüren. Und es wird nicht mehr allzu lange dauern.“

zehn
     
    Tessa blinzelte. Es roch nach Rauch und der erste Gedanke, der ihr durch den Kopf schoss war, dass das Torget Sjøhus in Flammen stand. Hastig schlug sie die Decke zurück und notierte unbewusst, wie kratzig der Stoff sich anfühlte. Ihre Fingerknöchel krachten mit voller Wucht gegen eine Wand und sie unterdrückte einen Schmerzensschrei. Noch bevor sie die Beine aus dem Bett geschwungen hatte, hörte sie eine missmutige weibliche Stimme. „Alva, komm endlich her und hilf mir.“
    Tessa blickte in die Richtung, aus der die Stimme kam. Der Raum wurde nur durch das in einiger Entfernung brennende Feuer erhellt. Neben dem Feuer kniete eine Frau. Tessa tastete mit der flachen Hand über die rauen Holzbalken hinter sich und stellte fest, dass sie auf dem Boden lag, auf einem weichen Fell. Etwas wackelig erhob sie sich. Unter ihren nackten Fußsohlen spürte sie einen nicht ganz ebenen Belag. Mit einem Anflug von Unbehagen blickte sie an sich herunter. Sie trug ein weites, langärmeliges Hemd, das ihr bis zu den Knöcheln reichte. „Alva, kommst du endlich?“
    Tessa stand auf. Ihre tränenden Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, aber ihre Lunge nicht an den Rauch. Sie hustete. Großer Gott, wo war sie? Wenn sie irgendetwas mit hundertprozentiger Sicherheit wusste, dann, dass sie sich nicht in ihrem Zimmer im Torget Sjøhus befand. Obwohl sie mit hundertprozentiger Sicherheit dort sein sollte. Und wer war Alva?
    „Berit? Bist du das?“, rief sie, noch immer hustend, und ging auf das Feuer zu. „Was ist geschehen?“
    „Bei Thor, wirst du wohl aufhören, herumzuschreien?“, fuhr sie die Frau an – die ganz eindeutig nicht Berit war und packte sie am Arm, um sie zu sich herunter zu ziehen. „Hol Feuerholz von draußen, die Flammen sind schon am Verlöschen.“
    Tessa blickte sich um. Von Berit keine Spur. Durch einen schmalen Spalt fiel Licht ins Innere des Raums. Tessa tapste darauf zu und stieß die Tür auf. Draußen war es kühl und dämmrig. Der Boden unter ihren Füßen fühlte sich kalt und feucht an. In einem Korb sah sie Holzstücke und dürre Äste liegen. Automatisch griff sie nach dem Henkel, aber dann ließ sie die Hand sinken und taumelte ein paar Schritte zurück.
    Sie stand vor einem riesigen Blockhaus, dessen Dach mit verwittertem Schilf gedeckt war. Die Länge mochte zwanzig Meter betragen und sie konnte an den Wänden gerade zwei winzige Luken entdecken, die mit Stoff verhängt waren. Von der Mitte des Daches stieg Rauch auf. Das ganze Ensemble besaß eine unübersehbare Ähnlichkeit mit dem Modell eines Langhauses, das sie einmal besichtigt hatte. Einen Nachbau des Trondheimhauses von 1003 nach Christus.
    Tessa schluckte. Das … das konnte doch nicht wahr sein. Sie versuchte sich zu erinnern, was geschehen war. Nachdem … nach dem Vorfall mit Nick Dayton, hatte sie sich auf ihr Zimmer geschleppt und war zu Bett gegangen. Nichts Außergewöhnliches, oder? Sie runzelte die Stirn. Nein, sie war nicht zu Bett gegangen. Sie hatte die Maske aus dem Bjørendahl Schiff vom Tisch genommen und durchgeschaut. Und dann war sie hier aufgewacht.
    Sie befühlte den Stoff, aus dem ihr Hemd gemacht war. Leinen, nahm sie an. Sie schlug den Ärmel um und betrachtete den Saum. Kleine regelmäßige Stiche, die zweifelsfrei von Hand ausgeführt worden waren. Ihr Blick blieb an dem dicken Zopf aus hellbraunem Haar hängen, der auf ihre Brust fiel und dessen Ende mit einem schwarzen Wollfaden umwickelt war.
    Über Tessas Rücken kroch eine Gänsehaut. Sie atmete tief und regelmäßig, um ihre Panik unter Kontrolle zu halten und fixierte dabei einen großen Stein. War sie tatsächlich 1000 Jahre in der Zeit zurückversetzt worden? Gab es eine andere, eine rationale Erklärung für … für das hier? Hatte Daria womöglich damit zu tun?
    „Alva, wo bleibst du denn?“ Die Tür wurde aufgerissen und die Frau starrte sie böse an. „Träumst du wieder vor dich hin? Muss ich alles selbst

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