Stachel der Erinnerung
besseres Angebot habe, Schönste … Ich bin nur ein bescheidener, von Minderwertigkeitskomplexen gepeinigter Mann. Ich brauche Selbstbestätigung. Täglich. Dreimal mindestens. Am besten in Form von innigen Küssen. Mit Zunge.“
Berit gönnte ihm einen Blick, den sie sonst für anmaßende Museumsdirektoren reserviert hatte. „Versprich mir, sie in Frieden zu lassen.“
„Wenn du dich um meine Minderwertigkeitskomplexe kümmerst.“ Er grinste dermaßen unverschämt, dass sie sich fragte, wie sich das Wort Minderwertigkeitskomplexe überhaupt in seinen Wortschatz verirren konnte.
Männer wie er gingen ihr auf den Geist. Zumindest hatten sie das bisher getan. Aus einem unerfindlichen Grund fand sie seine Aufrissversuche aber irgendwie rührend. Wenn Tessa nicht gefühlsmäßig involviert gewesen wäre, hätte sie sich die Regentage und –nächte hier vergnüglich gestalten können. Dafür war Hendrik genau der richtige Typ. Aber vor Tessas Augen mit ihm herumzuflirten würde sie verletzten, weil sie immer alles so verdammt persönlich nahm. Warum konnte sie die Dinge nicht entspannter sehen?
„Versprichst du mir, Tessa in Ruhe zu lassen, wenn ich deine Komplexe therapiere?“, fragte sie mit durchbohrendem Blick.
„Klar.“ Er beugte sich vor und küsste sie ungeniert auf den Mund und leckte dabei etwas Marmelade ab. „Ich verspreche dir alles, was du willst.“
Und denke nicht daran, mein Versprechen zu halten, dachte Berit bei sich. Sie rückte ein Stück von ihm weg. „Hast du sie gestern noch gesehen?“
„Nein, du hast mein Date mit ihr ja eiskalt sabotiert.“
„Was wirklich ganz unglaublich schwierig war. Ich musste dich de facto bewusstlos schlagen, damit du mich küsst.“ Sarkasmus tropfte aus ihren Worten.
„Die Strafe kam ja einen Atemzug später. Statt einem flotten Dreier mit zwei atemberaubenden Frauen lag ich alleine in meinem kalten Bett.“ Er sah sie vorwurfsvoll an. „Und das Bett war wirklich kalt.“
Berit schob das leere Geschirr zur Tischmitte. „Es ist nach zehn und Tessa ist noch immer nicht da“, stellte sie fest, ohne auf seinen Einwurf zu achten. „Ich werde nach ihr sehen. Das ist völlig untypisch für sie. Hoffentlich ist sie nicht krank.“
Sie ging hinauf zu den Gästezimmern und blieb vor Tessas Tür stehen. Von drinnen war kein Geräusch zu hören. Sie klopfte und drehte dann am Türknauf. Ohne Erfolg.
„Tessa“, rief sie und schlug mit der Faust gegen die Tür. Alles blieb ruhig. Ein dumpfes Gefühl der Vorahnung beschlich sie und sie rüttelte ungeduldig am Türknauf. „Tessa, mach auf. Oder sag etwas. Du musst mich doch hören.“
Keine Antwort.
Berit wandte sich ab und hetzte wie von tausend Teufeln gejagt durch den Frühstücksraum in die Küche. „Den Zweitschlüssel zu den Zimmern, und zwar flott“, herrschte sie den gerade an der Spüle stehenden Nick Dayton an.
„Was ist passiert?“, fragte er, ohne damit aufzuhören, die Pfanne zu schrubben.
„Tessa, meine Freundin, sie hat sich eingeschlossen. Und sie antwortet nicht auf meine Rufe“, sagte Berit hastig.
„Vielleicht hat sie einfach genug von Ihrer Gesellschaft“, entgegnete er ungerührt und drückte den Schwamm aus.
Berit sah rot. Sie packte ihn an den Oberarmen, nützte seine Überraschung aus und drückte ihn mit dem Rücken an die Spüle. „Die Schlüssel, Sie Idiot, und zwar plötzlich“, knirschte sie durch die Zähne. „Vielleicht ist etwas passiert. Vielleicht …“ Sie brach ab und atmete tief durch. „Tessa hat gelegentlich ... Probleme. Es könnte sein, dass sie in Gefahr ist.“
Erstaunlicherweise schienen ihn diese Worte zu erreichen. Er legte den Schwamm zur Seite, trocknete sich die Hände ab und befreite sich aus ihrem Griff. „Die Schlüssel sind in meinem Büro.“ Mit diesen Worten ging er an ihr vorbei. Berit hatte Mühe, seinen langen Schritten zu folgen. Er verschwand hinter der Rezeption und kam kurz darauf mit einem Schlüsselbund zurück.
Berit wollte ihn ihm aus den Fingern reißen, aber er hielt ihn in die Höhe und damit außerhalb ihrer Reichweite. Sie lief hinter Nick die Stufen hinauf, auch Hendrik hatte sich ihnen – durch den Streit in der Küche aufmerksam geworden – angeschlossen.
Nick steckte den Schlüssel ins Schloss und eine Sekunde später sprang die Tür zu Tessas Zimmer auf. Berit drängte ihn zur Seite und stürzte in den Raum. Ihre schlimmsten Befürchtungen schienen Wirklichkeit geworden zu sein.
Tessa lag verkrümmt auf
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