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Stachel der Erinnerung

Stachel der Erinnerung

Titel: Stachel der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Henz
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erfindet“, fügte er bitter hinzu.
    Ungerührt von dem leise geführten Disput setzte sich Daria an den Tisch, auf dem sich noch Tessas Unterlagen befanden. Sie schob sie fein säuberlich zusammen und hielt sie Berit entgegen, die sie auf eine Kommode legte. Hendrik hatte sich nach der Maske gebückt und wollte sie ebenfalls auf der Kommode deponieren, aber Daria schnippte mit den Fingern und deutete auf sich. Also reichte er ihr die Maske und trat einen Schritt zurück.
    Daria drehte sie zwischen den Fingern, blickte durch die Augenlöcher und legte sie schließlich mitten auf den Tisch. Dann blickte sie die Umstehenden an und hob langsam die Hand. Mit ausgestrecktem Finger zeigte sie auf Hendrik, dann auf Nick und schließlich auf Berit. Die vier Männer aus dem Bergungsteam, die ebenfalls im Zimmer standen, winkte sie hoheitsvoll hinaus. Nachdem sich die Türe hinter ihnen geschlossen hatte, bedeutete Daria den Anwesenden sich an den Tisch zu setzen. Dann breitete sie die Arme aus und griff nach den Händen ihrer Nachbarn. Als sich alle auf diese Weise verbunden hatten, nickte sie zufrieden und schloss die Augen.
    „Müssen wir nicht das Zimmer verdunkeln?“, fragte Berit halblaut. „Und Kerzen aufstellen? Und beteuern, dass wir glauben? An was auch immer?“
    Keiner antwortete. Im Raum war es so still, dass die Regentropfen wie ein Schlagzeugsolo an die Fenster trommelten. Berits Handflächen, die in denen von Hendrik und Nick lagen, wurden feucht. Sie unterdrückte den Impuls, sie an ihrer Hose abzuwischen und wartete ungeduldig, dass etwas passieren würde. Aber außer einer steigenden Raumtemperatur, die sie sich natürlich auch einbilden konnte, geschah nichts.
    Nick hatte den Eindruck, dass die Luft zu dick zum Atmen wurde. Seine Hand, die jene von Daria festhielt, begann zu brennen. Nicht kontinuierlich, sondern in winzigen Stößen, als jagten elektrische Impulse durch sie hindurch. Die anderen schienen nichts davon zu merken. Berit sah aus, als würde sie gleich einschlafen und auf Hendriks Gesicht stand schlecht kaschierte Verständnislosigkeit.
    Er konnte nicht glauben, dass er als Einziger die Schwingungen spürte. Noch nie hatte er sich für esoterische Spielereien interessiert. Er glaubte weder an Gott, noch an den Teufel, egal unter welchem Namen die Betreffenden sich gerade herumtrieben. Und schon gar nicht an Zwischenwelten, die ruhenlosen Seelen Unterschlupf boten oder sonstigen Hokuspokus.
    Dennoch hatte Daria ihn an seiner empfindlichsten Stelle getroffen und ihm etwas bewiesen, das nicht zu beweisen war. Aus diesem Grund konnte er die Augen nicht verschließen vor dem, was hier geschah und das Ganze als Mumpitz abtun. Wenn sie sagte, dass sie die Frau zurückbringen konnte, dann konnte sie das auch.
    Sein Blick wanderte hinüber zum Bett. Sie lag noch immer so dort, wie er sie hingelegt hatte. Er erinnerte sich an Berits aufgeregte Worte, als sie den Zweitschlüssel von ihm hatte haben wollen. Sie hat gelegentlich Probleme. Diese Probleme mussten recht gewichtig sein, denn wegen nichts versuchte man sich im Allgemeinen nicht, das Leben zu nehmen.
    War das die Erklärung dafür, dass sie sich nicht gewehrt hatte, ja nicht einmal reagiert hatte, als er ihr zu nahe gekommen war? Waren ihre Probleme etwa dieser Art?
    Er zuckte zusammen. Ein Stromstoß drückte ihn an die Rückenlehne des Stuhls und presste ihm die Luft aus den Lungen. Daria schrie derart schrill, dass die Fensterscheiben vibrierten. Sie riss ihre Hände los und legte sie flach auf den Tisch. Ihre starr auf die Maske gerichteten Augen machten Anstalten, aus den Höhlen zu quellen.
    Nick spürte, wie sich seine Stirn mit Schweißperlen überzog. Mit einiger Mühe holte er Luft und bereute es sofort, denn seine Lunge schien versengt zu werden. Darias rechte Hand fing an zu zittern und bewegte sich wild auf der Tischplatte hin und her. Wie die Zeiger eines Seismographen.
    „Papier“, keuchte er und versuchte, den Stuhl zurückzuschieben, um aufzustehen. „Gebt ihr Papier und etwas zum Schreiben.“
    Berit, die näher an der Kommode saß, sprang auf – mühelos, wie es Nick erschien – und griff nach dem Stapel Papier, der dort lag, um ihn zu Daria zu schieben. Dann drückte sie ihr einen Stift zwischen die Finger.
    Erstaunlicherweise hielt Daria den Stift nicht nur fest, sondern begann tatsächlich auf dem Papier zu schreiben. Und zwar in einem Höllentempo. Am Ende des ersten Satzes wanderte ihre Hand nicht an den linken

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