Stachel der Erinnerung
beisammen. Aufgeregt machte sie ihm ein Zeichen. Er nickte unmerklich und erhob sich kurz darauf.
Tessa drückte sich an eine Hauswand und wartete, bis er vor ihr stand. „Was willst du?“, fragte er und streckte sich gähnend. „Der Tag war lang und ich bin todmüde.“
„Mein Tag war nicht kürzer“, gab sie zurück. „Aber ich habe nachgedacht. Und eine Lösung gefunden. Sie dürfen sich nicht begegnen. Meldis und Kaldak dürfen sich nicht begegnen“, wiederholte sie eindringlich. „Dann kann er sie nicht töten.“
„Gute Idee. Und wie soll das gehen?“ Er klang nicht übermäßig beeindruckt.
„Meldis darf nicht bei Nacht und Nebel flüchten“, antwortete Tessa. „Wenn wir das verhindern, dann haben wir gewonnen.“
Er nickte. „Logisch. Und weiter?“
Tessa holte tief Luft. „Ich glaube, der Grund warum du hier bist, ist, dass du die Begegnung der beiden verhindern musst. Du entführst Meldis. Und dann tust du alles, um ihre Meinung Serre betreffend zu ändern. Du machst ihr den Hof und siehst zu, dass sie sich in dich verliebt.“
„Weiter nichts?“ Er klang völlig ernst.
„Ich bin natürlich mit von der Partie und beeinflusse Meldis in deinem Sinn. Ich werde dich über den grünen Klee loben. Gemeinsam werden wir es doch wohl schaffen, dass sie sich mit der Idee anfreundet, deine Frau zu werden.“ Sie blickte ihn triumphierend an. „Damit ist euch beiden geholfen und wir tricksen Kaldak aus.“
„Ich werde darüber nachdenken“, beschied er ihr gönnerhaft. „Morgen reden wir weiter.“
Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Wo bleibt die Begeisterung? Oder hast du etwa einen besseren Plan?“
„Ich habe gar keinen Plan. Bisher habe ich versucht herauszubekommen, was Serre gegen den Jarl wirklich in der Hand hat und warum Meldis sich so vehement gegen eine Heirat mit Serre wehrt.“
„Und, was hast du erfahren?“
Er seufzte. „Nichts.“
„Tja, schade.“ Sie wandte sich ab. „Wir sehen uns morgen. Dann kannst du mir das Ergebnis deines Nachdenkens mitteilen. Und wenn ich gut gelaunt bin, werde ich dir verraten, warum Meldis sich so sehr gegen eine Heirat mit Serre sträubt. Also wünsch mir eine gute Nacht.“
Er sah ihr mit gerunzelten Brauen nach und machte sich dann auf den Weg zum Langhaus, in dem Serre schlief. Es lag direkt neben dem des Jarl, was auch auf seine besondere Stellung hindeutete.
Auf dem Weg dachte er über Tessas Plan nach. Im Grunde hatte sie recht. Wenn Meldis ihrem Mörder nicht begegnete, würde sie am Leben bleiben. Aber die Sache mit der Entführung gefiel ihm nicht. Er kannte sich weder an diesem Ort, noch in dieser Zeit aus. Wohin sollte er mit Meldis gehen? Außerdem würde eine solche Handlungsweise sicher den Zorn ihres Vaters nach sich ziehen. Auch das wollte er vermeiden. Nein, es musste eine andere Möglichkeit geben, zu verhindern, dass Meldis und dieser Kaldak sich begegneten.
Nick war so in Gedanken versunken, dass er fast übersehen hätte, dass ihm der Jarl entgegenkam. Er schwankte leicht und musste sich an den Hauswänden abstützen, um das Gleichgewicht zu halten. Als er für einen Moment losließ, stolperte er und Nick packte ihn am Arm.
Die blutunterlaufenen Augen sahen in an. „Danke, Serre. Auf dich ist Verlass, mein Sohn. Das habe ich schon immer gewusst.“
Nick zögerte nur kurz. Nach einem schnellen Blick in die Umgebung zog er den Jarl mit sich in das leere Badehaus. „Sag mir, warum du es getan hast, Ole. Ich schweige wie ein Grab, aber ich will wissen, warum.“
Die Dunkelheit hüllte sie ein. Nur das schwere Atmen des Tanstrømjarls war zu hören. Er schwieg so lange, dass Nick schon damit rechnete, ihn unverrichteter Dinge wieder nach draußen zu stoßen.
„Ich ertrage sie nicht“, begann der Jarl schließlich mit schwerer Zunge. „Wenn ich sie auch nur einen Tag länger ertragen müsste, hätte ich sie ertränkt.“ Seine Worte verschliffen sich zu einem schwer verständlichen Gebrabbel. „Sie teilt nicht mein Lager, sie schenkt mir keine Erben, sie hockt dauernd mit ihrer Mutter und den anderen alten Weibern zusammen. Manchmal denke ich, sie weben einen Zauber, der Unglück über uns alle bringt. Außerdem schafft sie es nicht, die Sklaven so weit anzutreiben, dass sie das Haus und die Felder in Ordnung halten.“
„Und deshalb hast du die ganze Flotte in Brand gesteckt?“, murmelte Nick ungläubig. Er hatte nur einen Pfeil ins Ungewisse abgefeuert, aber Oles Worte bestätigten seine
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