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Stachel der Erinnerung

Stachel der Erinnerung

Titel: Stachel der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Henz
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ernst?“, fragte er dann leise.
    Tessa lachte bitter. „Oh ja, todernst.“ Nach einer Pause fuhr sie fort. „Alva machte sich heimlich aus dem Staub – ich wollte nach der Maske suchen, um zurückzugehen in meine Zeit. Wenn ich es so überlege, dann war das sicher ein Denkfehler. Ich weiß gar nicht, wie ich überhaupt darauf gekommen bin, dass sich die Maske hier in dieser Zeit befindet. Nur jemand aus meiner Gegenwart konnte mich zurückholen.“ Sie zuckte die Schultern. „Sei’s drum. Bei meiner Flucht begegnete mir Serre. Er hatte sich gemeinsam mit Meldis’ Vater und einer Handvoll Männer auf die Suche nach ihr gemacht. Die beiden glaubten an eine Entführung und ich ließ sie in dem Glauben. Sie nahmen mich mit, ich tat so, als könnte ich mich nicht an den Weg erinnern. Aber es half nichts. Kaldak suchte im Auftrag von Meldis natürlich nach mir. Bei einem Marktflecken entdeckte er mich und Serre entdeckte Kaldak. Er ließ zu, dass mich Kaldak einfach mitnahm, und folgte ihm ohne den anderen etwas zu sagen. Dann verbarg er sich in der Nähe der Hütte, um in einem günstigen Augenblick alleine mit Meldis zu sprechen. Dabei überraschte Kaldak die beiden.“ Sie stockte. Die Erinnerung an die grausame Bluttat war noch immer mehr, als sie ertragen konnte. Mit einiger Mühe atmete sie tief ein, und versuchte fortzufahren. Doch da drangen von draußen Rufe herein.
    Nick sprang auf und öffnete die Tür einen Spalt. „Oh mein Gott.“ Noch bevor sie aufstand, sah sie den orangeroten Schein auf seinem Gesicht und wusste, was da draußen passierte. Und im gleichen Moment erkannte sie auch, dass sie sich geirrt hatte – es war nicht der erste Tag des Festes gewesen, es war der letzte.

neunzehn
     
    „Die Boote, sie brennen!“ In Nicks Stimme mischte sich Erstaunen mit Ärger. Er fuhr zu Tessa herum. „Du hast doch behauptet, es wäre der erste Tag des Festes …“
    „Dann habe ich mich eben getäuscht. Ich habe dir gesagt, dass mir ein Teil der Erinnerung fehlt“, erwiderte sie schwach und umklammerte ihre Oberarme. „Du kannst nichts mehr daran ändern, wir sollten lieber darüber nachdenken, wie wir Meldis das Leben retten.“
    Aber er hörte nicht auf sie, sondern rannte mit den anderen zum Hafen. Tessa sank auf die Holzbank. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass die Dinge vollkommen falsch liefen. Und dass Nick sie dafür verantwortlich machte. Unter diesem Aspekt konnte sie nur froh sein, dass sie nicht dazu gekommen war, ihm das Ende der Geschichte von Meldis, Kaldak und Serre zu erzählen. Dieser strategische Joker blieb ihr also für den äußersten Notfall – auch wenn sie im Moment nicht wusste, was sie sich unter äußerstem Notfall vorstellen sollte wenn ihr ganzes Leben sich in einen einzigen, unglaublichen Notfall verwandelt hatte.
    Sie beschloss, ebenfalls zu den Klippen zu eilen und dabei nach Meldis Ausschau zu halten. Sich nur auf Nick zu verlassen, was die Rettung des Mädchens betraf, erschien ihr zu unsicher. Vor allem, da sie noch immer keine Ahnung hatte, was ihn dazu getrieben hatte, Meldis zu küssen, als ob sein Leben davon abhinge. Ob es nur ein unmotivierter Einfall war oder ob etwas Fundamentaleres dahintersteckte. Aber solange er sich nicht bequemte, ihr reinen Wein einzuschenken, hieß der einzige Mensch, auf den sie zählen konnte, Tessa Wernhardt.
    Sie fand Meldis ohne großes Suchen und verbrachte den Rest des Festes mit ihr. Alles lief so ab wie beim ersten Mal. Meldis durchlebte alle Gefühlszustände von glühender Euphorie bis zu enttäuschtem Trotz, als feststand, dass Serre nicht in einen jahrelangen Rachefeldzug verstrickt werden würde, der ihn von ihr trennte.
    Tessa hörte nur mit halbem Ohr zu. Sie überlegte, wie sie verhindern könnte, dass Meldis ein vorzeitiges Ende durch Mörderhand nahm. Alle möglichen und unmöglichen Ideen ratterten durch ihren Verstand, aber keine davon stellte sie zufrieden. Die Erleuchtung kam, als sie mit anderen Frauen das schmutzige Geschirr zum Brunnen trug. Die Lösung des Problems war so einfach, und sie wunderte sich, warum sie nicht gleich darauf gekommen war.
    Sie musste der Beziehung von Meldis und Kaldak das Fundament entziehen. Sie durften sich niemals kennenlernen. Wenn die beiden sich nicht begegneten, konnte Kaldak ihr nichts antun. Und derjenige, der eine Begegnung verhindern musste, war Nick.
    Sie wartete einen günstigen Moment ab und schlich sich davon, um ihn zu suchen. Er saß mit Arne und Serres Vater

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